Make-up ist toll. Pflegende Kosmetik ebenso. Keine Frage. Meine Leidenschaft für diesen Bereich ist so groß, dass ich mich tagtäglich auf einer beruflichen Basis damit befasse. Und wisst ihr was? Es wird mir nicht langweilig. Ich freue mich über jeden Lippenstift, über jedes Augenserum immer noch wie am ersten Tag. Ich liebe das, was ich mache. Diese Leidenschaft bringt aber auch einige Probleme mit sich, die ihr sicher auch kennt. Platz und Entscheidungsprobleme wären hierbei die Luxusausführung. Dass man sich ständig für seine Hingabe rechtfertigen muss, sich anhören muss, dass es oberflächlich sei, sich mit Kosmetik zu beschäftigen, nervt, aber auch hieran gewöhnt man sich mit der Zeit. Abschließend wären da noch die Hautprobleme: ich hatte periorale Dermatitis, auch Mundrose oder Stewardessenkrankeit genannt. Und das knapp sieben Jahre lang. Zur Zeit gilt sie bei mir als geheilt – mal wieder. Das Schlimmste an der ganzen Sache ist, dass ich vermutlich selber Schuld an diesem Zustand bin. Ich habe zu viel gecremt, zu viel geschmiert, das rächt sich bis heute. Als Beauty Editor möchte ich euch nicht nur Produkte empfehlen, sondern sehe es auch als meine Aufgabe von den unangenehmen Side Effects zu sprechen. Deshalb geht es heute nicht darum, was passiert, wenn man Kosmetikprodukte aufträgt, sondern darum, was passiert, wenn man zu viel davon konsumiert. Das ist nicht so schön, muss aber auch mal sein, da ich euch dieses Schicksal gerne ersparen würde. Für meine Aufklärungsarbeit habe ich mir zudem einen Experten an die Seite geholt, den ich zum Wie-Wo-Was-Warum befragt habe.
Meine persönliche Erfahrung mit der perioralen Dermatitis
Obwohl ich mich nun schon sehr lange mit der perioralen Dermatitis beschäftige, konnte ich diese Krankheit nie richtig für mich (be)greifen. Egal was ich auch gemacht habe, sie kam nach einer Ruhephase immer irgendwann zurück. So wie ein lästiger Ex-Freund, der riecht, dass man es endlich schafft ohne ihn weiterzumachen. Nur anstatt nervige Textnachrichten und mitternächtliche Anrufe zu empfangen, machten sich bei mir rote Pusteln breit. Um die Nase, den Mund, bis zu den Augen hoch hatte ich immer wieder für Monate rot-entzündliche Stellen, Pusteln und Eiterstippen, gegen die ich nichts tun konnte, außer abzuwarten und absolut keine Kosmetika auf das Gesicht aufzutragen.
Das ist möglicherweise das Schlimmste an der perioralen Dermatitis.
Zwar hinterlässt sie keine Narben, wie Akne, dafür darf man sie in Akutphasen nicht abdecken. Das geht auf die Psyche kann ich euch sagen. Als Frau, die es immer gewohnt war sich zu schminken, mit Concealer und Co. Unsicherheiten einfach zu kaschieren, durch Make-up quasi ein aufschminkbares positives Selbstbild zu schaffen, war das die größte Herausforderung – so dumm es klingen mag.
Mit 17 Jahren wurde die periorale Dermatits zum ersten Mal bei mir diagnostiziert. Damals befand sich mein Selbstbewusstsein noch in den Kinderschuhen, wodurch für mich eine Welt zusammenbrach, als mein Dermatologe den Begriff ‚Nulldiät‘ droppen ließ. Nulldiät bezog sich in diesem Fall nicht auf spezielle Nahrungsmittelgruppen, sondern auf die Pflege: keine Cremes, kein Make-up, nicht einmal mit Wasser sollte ich mein Gesicht waschen. Ein halbes Jahr lang. Mein Leben war vorbei. Am nächsten Tag stellte sich natürlich heraus, dass dem nicht so war. Also blieb mir nichts anderes übrig, als brav die Anweisungen meines Arztes zu befolgen. Sechs Monate später, pünktlich zum Abiball, konnte ich so mein erstes Make-up wieder auftragen. Die periorale Dermatitis war geheilt und ich von der Vorstellung befreit, ohne Schminke nicht leben zu können. Ich muss sagen, dass diese Zeit sehr hart für mich war, sie dennoch viel in meiner Selbstwahrnehmung verändert hat – das einzig Positive an dieser Hautkrankheit.
So erging es mir insgesamt dreimal. Wobei die letzte Akutphase beinahe ein Dreivierteljahr anhielt. Das ist natürlich besonders praktisch, wenn man sich während dieser Zeit in einem Praktikum bei einer der weltweit größten Kosmetikmarken befindet. Auf die Frage, weshalb ich mich nie schminken würde, gab ich stets die gleiche Antwort: „Ich habe periorale Dermatitis.“ Woraufhin ich stets die gleiche Antwort erhielt: „Periorale was?“ Höchst interessant, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um eine häufig auftretende Erkrankung der Haut handelt.
Im Moment ist alles ruhig. Was ich vermutlich meiner festen Pflegeroutine zu verdanken habe, die nun auf die Bedürfnisse meiner Haut abgestimmt ist: Nicht zu viel Feuchtigkeit und keine crazy Experimente mit Produkten, von denen ich weiß, dass sie einfach nicht von Nöten sind. So würde ich sogar behaupten, dass ich mich das erste Mal seit sieben Jahren wieder ganz normal schminke – mit flüssiger Foundation und dem ganzen Schizzl, was vorher nicht nicht ging, da meine Haut zu sensibel auf dekorative Kosmetik reagiert hat. Möglicherweise liegt dieser gute Zustand aber auch an dem weisen Rat, den mir Prof. Dr. Wollenberg während unseres Interviews gab: aufhören ständig dran zu denken und weniger stressen. Was mir der Experte, der die erste Behandlungs-Leitlinie für periorale Dermatitis erstellt hat, noch alles erzählt hat, könnt ihr im Folgenden nachlesen.
Das sagt der Experte – im Interview mit Prof. Dr. Andreas Wollenberg, Professor für Haut und Geschlechtskrankheiten an der Ludwig Maximilians Universität München:
Was ist periorale Dermatitis?
Periorale Dermatitis ist eine Erkrankung, die wir letzten Endes noch nicht vollkommen verstehen. Von der wir dennoch schon sehr viel wissen. Es handelt sich hierbei um eine Erkrankung die sich überwiegend im Gesichtsbereich manifestiert. Die zu einer Rötung der Haut führt und kleinen Erhabenheiten, ähnlich wie Pickel. Manche Patienten haben auch Eiterstippen, sogenannte Pusteln. Es gibt allerdings im Vergleich zur Akne keine Mitesser. Die Haut fühlt sich in der Regel trocken an und spannt mehr, als das sie juckt. Zudem hat man Flecken im Gesicht, die die meisten Menschen als störend empfinden.
Und wodurch wird diese Hauterkrankung ausgelöst?
Die Benutzung von viel Kosmetika, insbesondere viel Feuchtigkeitspflege, ist einer der bekanntesten Mitauslöser dieser Erkrankung.
Wer ist besonders häufig von der perioralen Dermatitis betroffen?
Frauen sind bevorzugt betroffen. Man kann sagen, dass auf einen Mann 15 bis 20 Frauen kommen. Dieser Umstand hängt sicherlich mit dem Umgang von Kosmetikprodukten zusammen. Tendenziell lässt sich noch sagen, dass vor allem Frauen mit einer eher trockenen Haut sowie Frauen, die Allergien haben – so wie zum Beispiel Heuschnupfen oder eine leichte Neurodermitis – zu einer perioralen Dermatitis neigen.
Wie verhalte ich mich am besten bei ersten Symptomen?
Die häufigste Reaktion hierauf ist noch mehr zu cremen. Und das ist leider nicht hilfreich, im Gegenteil. Das beste ist sich bewusst zu sein, dass viel Pflege bei jemandem der zur perioralen Dermatitis neigt, oft den gegenteiligen Effekt hat. Bei ersten Symptomen also möglichst wenig Pflegecremes benutzen und einen Hautarzt aufsuchen.
Was ist die gängige Behandlungsweise?
Während der Behandlung kann man Patienten, die gewohnt sind sich regelmäßig einzucremen, Hilfestellung leisten, indem man den Gebrauch von bestimmten Kosmetika in geringen Mengen empfiehlt. Die Hauptwirkung besteht darin, dass alle „viel schlechteren“ Kosmetika nicht mehr benutzt werden, da die Patientin quasi schon etwas zu tun hat. Einige Cremes und Fluids können die Rötungen mildern, was Patienten oft schon hilft. In manchen Fällen wird mit entzündungshemmenden Cremes gearbeitet, in einzelnen Fällen auch mit einer Antibiotikagabe.
Warum kehrt periorale Dermatitis dennoch manchmal zurück?
Weshalb die periorale Dermatitis in gewissen Fällen zurückkehrt, hängt von der individuellen Neigung des einzelnen Menschen ab und kann so nicht pauschal festgemacht werden.
Was sind dennoch Dinge, die ich langfristig beachten sollte nach einer Erkrankung?
Eine übermäßige Hydratisierung der Haut sollte in jedem Fall vermieden werden. Das bedeutet, Pflegeprodukte sparsam verwenden und sich daran erinnern, dass nirgendwo geschrieben steht, dass man sich dreimal am Tag die Haut mit reichhaltigen Cremes eincremen muss.
Ein abschließendes Wort
Periorale Dermatitis ist sicherlich nicht das Ende der Welt. Es handelt sich hierbei jedoch um eine Hauterkrankung, die sehr unschöne Züge annehmen und sich auf das allgemeine Wohlbefinden auswirken kann. Diejenigen unter euch, die schonmal mit der Mundrose zu tun hatten, werden wissen wovon ich spreche. Vor allem als „Beautyjunkie“ sucht einen diese Erkrankung heim, was doppelt schlimm ist, da man an den ständigen und intensiven Gebrauch von Kosmetika gewöhnt ist. Es macht Spaß damit „rumzuspielen“ und auch das eigene Selbstbild leitet sich mit der Zeit von Make-up und Co. ab. So sind nicht nur die roten Stellen sehr unangenehm für die Betroffenen, sondern auch der plötzliche Entzug einer der liebsten Beschäftigungen.
Viele Frauen fühlen sich nackt und unwohl ohne Make-up, kommen dann noch rote Flecken und Eiterpusteln dazu, steigt oftmals die Frustration ins Unermeßliche. Dennoch besteht die Chance periorale Dermatitis zu vermeiden, wenn man anfängt darauf zu achten, was genau die eigene Haut braucht und was nicht, was ihre konkreten Bedürfnisse sind, womit man ihr schaden kann und sich hierbei auch mal von temporären Trends in der Beautyindustrie löst. Wenn es nämlich um unsere Haut geht, gibt es definitiv ein zu viel des Guten. Das weiß ich leider aus Erfahrung.
Vielen herzlichen Dank Prof. Dr. Wollenberg für Ihre Zeit und Ihren guten Rat. Habt ihr ebenfalls Erfahrung mit Perioraler Dermatitis? Dann freuen wir uns von euch zu hören…