HOT OR WHAT? Selbstliebe tut gar nicht weh – probier’s auch mal!

Ich könnte jetzt damit beginnen in Dreieraufzählungen die Körperstellen zu nennen, die ich an mir optimierungsfähig finde. Jene Variante wäre nach meinen Dozenten stilistisch nicht nur ein interessanter Einstieg, sondern auch ein Beweis dafür, dass ich in den vergangenen sechs Semestern meinen hübschen Kopf mit noch mehr Wissen angereichert habe. Du denkst Dir jetzt: „Hat sie nicht gesagt?“ Ich könnte auch das Gegenteil machen und zur Mitte dieses Vorspannes die Features erwähnen, die ich an mir mag – ebenfalls in der textlich wertvollen Dreierreihe. Das Urteil würde lauten: Ich liebe meine langen Beine, finde meinen Busen gar nicht zu klein, sondern in Wirklichkeit sexy, und wenn ich mir selber tief in die Augen schaue, kommen mir nicht die Tränen. Auf meinen Charakter angewandt: Ich bin witzig, loyal und gnadenlos ehrlich. Arschgeigen würden diese Bekenntnisse als eingebildet und arrogant einstufen – sie braucht Aufmerksamkeit. In Wahrheit ist es heutzutage mutig und erfordert leider ein großes Maß an Überwindung in so positiver Weise über sich selbst zu sprechen. Das ist auch der Grund dafür, warum wir es so selten tun oder möglicherweise niemals öffentlich laut äußern. Hier ein Weckruf die Geißel auszupacken und das Mantra „big booty bitch“ gegen „she’s so hiiiiiiiiiiigh-iii-jaaaaiii“ einzutauschen!


Ein Abend mit den Girls ist wie eine Gruppentherapie, nur leider hat in der Regel keine der Anwesenden einen staatlich anerkannten Abschluss in Psychologie. In weinseliger Stimmung setzt unweigerlich die Gruppenkasteiung ein. „Jetzt habe ich drei Wochen auf Kohlenhydrate, Fett, Kaffee, Alkohol verzichtet, da kann ich heute mal eine Ausnahme machen, oder?“ Das hinten angestellte „oder“ ist in diesem Fall entscheidend, zu 100% Zweifel behaftet und ein Auslöser. Darauf folgen Beschwichtigungen und das Einstimmen der restlichen Anwesenden in den Chor des Unsicherseins. Das Hochschaukeln ist dabei besonders geil. Ungefähr so, wie sich beim Heulen vor den Spiegel zu stellen und in Selbstmitleid zu zergehen. Der Akt kommt beim Vergleich mit der besten Freundin schließlich zum Höhepunkt.

Öffentliche Kritikübung des eigenen Körpers und das Betonen der eigenen Unzulänglichkeit ist eine gesellschaftlich anerkannte Form, um seinem Gegenüber zu signalisieren: „Hey nobody’s perfect!“. Wir spielen quasi im selben Team. Kennen uns nicht, haben aber augenscheinlich etwas gemeinsam.

Unzufriedenheit schafft Solidarität.

Aus der ursprünglichen Message hat sich allerdings im Laufe der Zeit ein gestörter Mutant entwickelt. Statt sich selbst zu akzeptieren und kleine „Makel“ anzunehmen und lieben zu lernen, konzentrieren wir uns nur noch auf die von der Instagram-Norm abweichenden Dinge. So gelabelt werden sie zu Fehlern.

Hot or what?

„Ich komme zu dem Schluss, dass kein Make-up für Frauen keine Lösung ist“. Das ist nicht etwa die Aussage eines hyper-chauvinistischen Superarschlochs, sondern traurigerweise das Fazit einer Beauty-Kolumne eines bekannten Frauenmagazins, die Autorin ist tatsächlich, wirklich weiblich. Derartige Behauptungen schmeißen uns um mindestens ein Jahrhundert zurück und erwecken den Anschein als hätte es den Feminismus nie gegeben. Statt Empowerment lese ich an zu vielen Stellen immer noch dieselben müden Parolen. Jeder leidet mal an Selbstzweifeln, die müssen aber nicht über die Medien bewusst gestreut werden und denjenigen in die Augen, die besonders anfällig dafür sind. Dieser Wahnsinn führt zu einem völlig verzerrten Selbst- und Fremdbild. Bodygoals wie die Thigh Gaps zeigen zudem lediglich wie groß die Lücke (gilt nicht für die, die sie von Natur aus besitzen) zwischen Hirn und Rückenmark ist.

Egal welche Strategie letztlich zum Ziel führt, ob Frontaltherapie vor dem Spiegel, Pro & Contra-Listen oder das Vorgeschleime des „immer-guten-Freundes“ – was immer helfen mag, wir sollten jetzt anfangen uns mehr zu lieben, unsere Körper zu feiern und danach die gewonnenen Erkenntnisse mit unseren Girls zu teilen, wenn sie mal ein bisschen Fat-Amy-Arsch-Selbstbewusstsein benötigen. Rebel Wilson ist nämlich schon im Nirvana – also, love hard and party harder!

Credit: Sarah Thiele, The Original Copy