#BORING

Ich habe mein Bestes gegeben, wirklich. Ich schwör’. Ich habe mir die Finger bei der Insta-Recherche wund gescrollt, sie mir beim Studium sämtlicher Frauentitel schrumplig geleckt und blaue Flecken vom chronischen an-die-Schläfe-Fassen bekommen. Am Ende der Suche nach aufstrebenden Beauty-Trends musste ich resigniert feststellen, dass es für mich derzeit keinerlei originären Entwicklungen, keine bahnbrechenden Neuerungen, keinen Hoffnungsglimmer am Ende des Horizonts gibt. Ich fühle mich gefangen in einer nicht enden wollenden Horrorvision aus Einhörnern, Highlights on fleek sowie des unvermeidbaren, kontrastierenden Pendants, den ultra matten Lippen. Ich langweile mich und hoffe inständig, dass dieser Overkill ein letztes Aufbäumen ist, das das Ende dieser Ära markiert. Dabei warte ich auf eine Gegenströmung, einen Mittelfinger für die Contouring-Paletten. Wie das aussehen könnte? Ich weiß es nicht, aber anders wäre ein guter Start.

Die absurdeste Szenerie, die ich mit dem Hashtag „mood af“ capturen würde, ereignete sich vorgestern im Zug. Ich lehnte mit dem Kopf am Fenster, arbeitete daran einen Fettfilm an der Scheibe zu hinterlassen und hing meinen Gedanken nach, als plötzlich ein Pulk Mädchen das Abteil stürmte. Die Sieben an der Zahl hatten sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit, denn jede von ihnen trug eine khakifarbene Bomberjacke, weiße Sneaker, ein schwarzes Choker begleitet von einem wippenden Pferdeschwanz und braunem Lippenstift. Ich konnte nicht einmal ausmachen, wer von ihnen die Anführerin war, so ähnlich sahen sie sich.

Derart uniformiert, marschierten die 13-bis 16-Jährigen hierarchielos, wie Lemminge, an mir vorbei in Richtung Wagen 34. Es ist nicht meine Absicht hier jemanden mit einem ähnlichen Style zu diskreditieren oder eine Diskussion über „Individualität“ zu starten, ich selbst folge Trends, kaufe bei Ketten ein und habe die Originalität sicherlich nicht mit Löffeln gefressen. Während ich über diese Pseudo-Probleme sinniere, trage ich zerrissene Jeans, eine Netzstrumpfhose, ein weißes T mit frechem Stitching und einen grauen Pulli, dessen Ärmel ich schräg über der Brust verknotet habe, dazu Boyfriend Brows und Whirl von MAC. Jeder sollte in meinen Augen nur das tun, womit sie oder er sich identifizieren kann.

Trotzdem drängt sich mir immer häufiger die Frage auf, ob wir das wirklich noch tun oder nur noch folgen, um uns in der Masse sicher statt wohlzufühlen.

Im Übrigen ist Whirl mittlerweile ein Relikt, das einer Zeit entstammt, als MAC noch der Ton-und Trendangeber war. Heute launcht der Kosmetik-Gigant eine Foundation, dessen USP ein Finish sein soll, das wie ein Instagram-Filter wirkt. Ist das die neue Natürlich-/Wirklichkeit, über die ich hier berichten, durch eine Veröffentlichung gar promoten soll? Eine Realität, in der wir ohne die Hilfe von Weichzeichnern glattpoliert und makellos aussehen? Wohl kaum.

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Dennoch, gegen die Macht der Insta-Community, die auf Regenbogen-Highlighter und rasiermesserscharfe Eyeliner in tiefschwarz abfährt, wollen große Konzerne nicht ankommen. Die Cash Cow gibt noch einiges her, sodass ich mich das vierte Jahr in Folge mit matten Lippenstiften konfrontiert sehe, dem angeblich neusten Trend aus Paris. Wem wollt ihr das verkaufen? Man erzählt sich, ein Lipgloss hätte es mal versucht die bröckelige Schicht zu durchstoßen, wäre dabei jedoch gegen eine Wand gerannt, so hart, wie die gegelten Brauen besagter Insta-Beauties. Bobbie Brown erklärte in einem Interview mit The Cut:

“When I came into the industry, it was a time when everyone was doing contoured faces and overdrawn lips. (…) A makeup artist told me, “If you don’t do the contour, you’ll never work in this town.” And I just couldn’t do it.“

Das ist ein Witz, oder? Kommt uns das möglicherweise bekannt vor? Diese Aussage sowie die Tatsache, dass die Make-up Ikone das Schiff, ihre Marke, im Dezember verließ, sollte uns endgültig zu denken geben.

Ebenfalls ratlos ließ mich die begeisterte Umsetzung des einzig neuen Trends zurück, der mir während meiner Suche zwischen die Finger kam. Anscheinend ist jetzt das Gesicht zu bekleben der Shit. Eigentlich ja ganz cool und ausbaubar. Aber mit Emoji-Stickern? Himmel, hilf mir! Statt der Knastträne jetzt also Avocados. Klingt ja alltagstauglich. Wer ist hier die Zielgruppe, muss ich mich fragen. Bin ich möglicherweise einfach schon zu alt? Ihr kreativen, innovativen Reformatoren da draußen, bitte seid mutig und traut euch. Schlimmeres, als den Einhorn-Highlighter könnt ihr nicht auf den Markt schmeißen. Ich bin jedenfalls mehr als bereit für frischen Wind. So bereit, ditt globste gar nich, wa!