Es hat mich rückblickend nun drei Monate gekostet, die Kraft, innere Ruhe und Muse zu finden, diesen Artikel zu schreiben. Denn das heutige Thema ist kein leichtes, das sei gleich mal vorneweg genommen. Dieser Artikel wird wohl der persönlichste sein, den ihr hier jemals lesen werdet, denn die Geschichte, die ich Euch heute erzähle, ist schwerer zu verdauen als die unterhaltsamen Beautystories, die ich hier sonst veröffentliche. Aber: ich kann nicht anders als die Plattform, die mir zur Verfügung steht, für eine Botschaft zu nutzen, die ich gerade rund um den Weltfrauentag für gut platziert halte. Und die mir einfach persönlich am Herzen liegt. Mir war es hier auf dem Blog schon immer – und wir des auch in der Zukunft – wichtig sein, meine Erfahrungen hinsichtlich bestimmter Themen weiterzugeben. Denn nur so, so zumindest meine Denke, kann man sich untereinander austauschen, Diskussionen anstoßen und fühlt sich trotz eines gewissen digitalen Abstands vielleicht doch nicht mehr so alleine. Alleine sein, das war nämlich der schlimmste Takeaway meiner Erfahrung, die ich Anfang Dezember letzten Jahres gemacht habe, und mir damals so sehr gewünscht hätte, dass meine Situation in unserer heutigen Gesellschaft und vor allem unter uns Frauen nicht dieses absolute Tabuthema ist. Meine Situation, das war eine Fehlgeburt.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der folgende Artikel emotional und inhaltlich schwerer zu konsumieren ist als die anderen Inhalte auf diesem Blog. Es ist meine Geschichte und ich möchte sie teilen, will aber niemanden, der psychisch oder physisch angeschlagen oder vorbelastet ist, zu negativen Gedanken anregen. Denkt also ein, zwei Minuten nach und wenn ihr Euch wohl fühlt, lest diesen Text. Vielleicht hilft er Euch oder einer Freundin weiter, who knows.
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Wie beginnt man so einen persönlichen Text? Diese Frage habe ich mir in den letzten Wochen öfters gestellt als ich darüber nachdachte diesen Artikel zu schreiben. Irgendwann kam ich zu dem Entschluss, dass es keinen guten Einstieg in solch ein Thema gibt, weshalb ich nun einfach mit einem kleinen Rückblick beginne. Fast vier Jahre bin ich nun online. In meiner bisherigen Blogger-Karriere habe ich Euch hier an diversen Lebenslagen teilhaben lassen: an meinem Heiratsantrag, an meinem Übergewicht, an Beautytalks jeglicher Art, an meiner ersten Botox-Erfahrung, meinen Reisen und auch an meiner Hochzeit. Schon immer habe ich gerne Inhalte aus meinen Leben mit Euch geteilt, seien es die positiven oder die negativen. Gerade bei den negativen Erfahrungen habe ich im Laufe der Jahre festgestellt, dass ich besser damit fahre, klar und ehrlich mit meinem Umfeld, also auch Euch, zu kommunizieren, denn mal ehrlich: was bringt es schon sie zu verheimlichen? Meiner Ansicht nach nichts und so habe ich immer versucht Euch nicht immer nur die heile Welt zu zeigen, sondern euch auch an den wahren Lektionen in meinem Leben partizipieren zu lassen.
Fakt ist: In meinem Beruf sieht alles meist ziemlich rosig aus und Blogger*innen, gerade in der Beautyindustrie, lassen sich gerne mal dazu hinreißen alles nur in Blush-Tönen darzustellen. Alles ist immer nur toll, glatt und glowy – so die Außenwirkung gegenüber Follower*innen und Leser*innen. Dass die echte Welt oftmals ohne #flawless Filter auskommen muss, wird hierbei oft vergessen. Zu groß ist einerseits die Sehnsucht nach einem Dreamsetting, andererseits will man sich online nicht auch noch die Probleme einer anderen Person aufhalsen.
Irgendwie verständlich, aber irgendwie eben auch nicht.
Denn in meinen Augen sind es gerade die negativen Erfahrungen, die Menschen zusammenschweißen, sie untereinander emotional connecten und zeigen: wir sind am Ende alle nur menschlich, haben alle ähnliche Probleme und keine von uns lebt wunschlos glücklich, egal wie es vielleicht nach außen hin scheint. Was mir hier oft fehlt, ist eine gewisse Transparenz und mehr Ehrlichkeit.
Ehrlichkeit und Offenheit, das hätte auch ich mir im Dezember gewünscht. Um diesen Punkt für Euch verständlich zu machen, muss ich nun etwas ausholen. Timo, mein Mann, und ich sind nun seit elf Jahren glücklich zusammen, seit fast zwei Jahren noch glücklicher verheiratet und hatten beide schon immer den Wunsch irgendwann, wenn es mal passt, Kinder zu bekommen. Mitte letzten Jahres war dieser Zeitpunkt gekommen und wir dachten: wenn nicht jetzt, wann dann. Dass ich nach drei Monaten schon schwanger war, kam dann doch überraschend, war aber natürlich ein grandioses, unbeschreiblich herzerwärmendes Gefühl. Eltern werden, das muss man erstmal verarbeiten. Der Ausblick, sich in einigen Monaten zwischen Windeln, mit Augenringen bis zum Kinn und in einem definitiv komplett anderen Alltag wiederzufinden, überforderte uns kurz, wurde dann aber doch immer von einer unfassbaren Vorfreude übertroffen.
Rückblickend stelle ich fest: ab dem Moment, in dem ich den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt, veränderte sich mein komplettes Leben. Essen, Sport, Körper, Partnerschaft – alle Prioritäten und Beziehungen verschieben sich und nichts ist mehr wie zu vor.
Denn auf einmal ist da dieses eine dritte Glied in deiner Beziehung, Stimmungsschwankungen machten mich zu einer anderen Person, einfach mal Sushi essen gehen ist nicht mehr und sowieso: man geht einfach anders durchs Leben. Ich meine behaupten zu können, dass ich als Frau, die das erste Mal Mutter werden sollte, noch relativ ruhig blieb. Das lag nicht nur an Timo, dem wohl einfühlsamsten Partner, den ich mir wünschen könnte, sondern auch an dem Fakt, dass ich das große Glück hatte weder Übelkeit noch Müdigkeit zu verspüren. Einzig und allein meine Haut spielte vollkommen verrückt, denn sie pickelte und pigmentierte vor sich hin, was mich aber – mit Aussicht auf den populären Schwangerschafts-Glow – nicht weiter störte.
Ich machte also einfach weiter wie bisher: ich flog nach London und traf Rosie Huntington-Whiteley zum Beauty-Talk und düste mit meiner Freundin fröhlich und erwartungsvoll die amerikanische Westküste entlang.
So far, so good – bis ich Anfang Dezember für einen ganz normalen Ultraschall gemeinsam mit Timo zum Frauenarzt fuhr – und nichts mehr da war. Leere. Da wo unser Baby hätte sein sollen, war einfach nichts. Ich starrte auf den Bildschirm und blickte auf ein schwarzes Loch. Die Fruchthöhle war leer. An die darauf folgenden Worte unserer Ärztin kann ich mich nicht mehr erinnern, nur an Timos Blick, meine Tränen und ein Gefühl, was ich im Nachhinein als reinen Herzschmerz beschreiben würde.
Die Nachricht doch nicht Eltern zu werden, entriss mir den Boden unter den Füßen. Ich verstand nicht, wie der Herzschlag unseres Kindes, den wir vor ein paar Wochen noch gesehen hatten, nicht mehr da sein konnte. Den Überweisungsschein, den mir unsere Ärztin in die Hand drückte, nahm ich wortlos entgegen und verlies mit Timo Hand in Hand die Praxis. Die darauffolgenden Stunden und Tage waren mit Gewissheit die schlimmsten, die ich in den vergangenen Jahren erlebt hatte, denn das Prozedere, das als Frau mit einer Fehlgeburt auf mich wartete, war in dieser prekären Situation wie Benzin auf Feuer. Jede Stunde, jeder erneute Weg zum Arzt und auch die finale OP sind nicht nur seelisch, sondern auch physisch das Anspruchvollste, was ich jemals erlebt habe. Mit Sicherheit auch, weil das alles auch noch auf den Todestage meiner Vaters fiel, der mir eh schon immer schwer fällt – egal wie viel Jahre er nun schon fort sein mag.
Mich überrollte alles. In manchen Situationen hatte ich wirklich Angst, meinen Verstand zu verlieren. Tag, Nacht, Regen, Sonnenschein, alles gleich. Null Motivation, keine Lebensfreude. Und das trotz der Tatsache, dass wir uns in den ersten Wochen der Schwangerschaft und auch schon zuvor sehr realistisch mit der Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt und ihren Konsequenzen auseinander gesetzt hatten. Die Realität war komplett anders:
Mein Kopf verstand, mein Herz überhaupt nicht.
Es schmerzte so sehr.
Die Tage nach der Diagnose und der OP versank ich in einem Tief, weinte von morgens bis abends und wusste nicht, was mit mir geschah. Ich hatte noch nie solch einen Herzschmerz verspürt und wusste einfach nicht wohin damit. Denn, und das musste ich erst einmal verstehen, man ist als Frau komplett alleine mit dem Schmerz. Natürlich half mir Timo so gut er konnte, aber mit den körperlichen Schmerzen und der spürbar physischen Leere dealt man dann eben doch ganz für sich. Der Körper geht zurück auf ‚Los‘ und alles wird als wäre einfach nichts gewesen. Und das spürt man als Frau voll und ganz alleine.
So verstrichen einige triste Dezember-Tage, ich brach immer wieder in Tränen aus und frage mich rückblickend ehrlicherweise, wie ich meine Situation überhaupt ausgehalten habe. Ich probierte einfach nur durch den Tag zu kommen und mich irgendwie mit meiner Situation auseinander zu setzen. Stück für Stück fand ich eine für mich passende Lösung: ehrlich mit anderen darüber zu sprechen. Das mag sich nun einfach anhören, gestaltet sich aber – vor allem wenn man nur wenigen von der eigenen Schwangerschaft erzählt hat – als sehr schwierig. Denn wie sieht so eine Kommunikation zu diesem Thema aus? Jemand fragt: Wie geht es dir? Ich sage: Gut, und weine dennoch. Jemand sagt: Du siehst nicht gut aus. Was ist los? Ich sage: Ich war mal schwanger, bin es aber nicht mehr. Die Wahrheit auf diese Frage muss nicht nur ich erstmal über die Lippen bringen, sondern auch mein Gesprächspartner verkraften. Über derartige Unterhaltungen macht man sich im Vornherein keine Gedanken, warum auch. Man weiß ja gar nicht, in welche Sphäre einen diese Wahnsinns-Hiobsbotschaft katapultiert. Der Ort, an dem man landet, ist einmalig, erstmalig. Genau wie das erste Mal schwanger sein eben auch und damit umzugehen, überforderte nicht nur mich selbst, sondern auch oft mein Gegenüber.
Die Lektion, die ich für mich daraus auch lernte, war: niemals wieder werde ich jemanden nach seinem Kinderwunsch fragen, es sei denn ich bin mit der Person sehr, sehr gut befreundet. Bei allen anderen hält man einfach die Klappe und begräbt die eigene Neugierde.
Im Laufe der ersten Tage merkte ich also, dass Offenheit bei diesem Thema anfangs ziemlich überfordert, am Ende aber weiterhilft. Und zwar nicht nur mir, sondern auch anderen. In unzähligen Gesprächen und Telefonaten stellte ich nämlich fest, dass jede Person, mit der ich mich über meine Fehlgeburt unterhielt, selbst schon eine erlebt hatte oder zahlreiche Personen kannte, die bereits das gleiche durchgemacht hatten. Es mag sich nun vielleicht komisch anhören, dass das Wissen, dass diese Misere nicht nur mir passiert war, sondern auch das Mitgefühl, das meine Freunde und Familie mir mit ihren warmen Worten entgegenbrachten, uns den Schmerz erleichterte. Ich merkte auch, wie da ein ganz besonderer Bund zwischen mir und den vielen anderen Frauen mit gleicher Vergangenheit entstand und dass jede einzelne von Ihnen dankbar war, dass ich dieses Thema so offen ansprach. Am Ende war nämlich eine Sachen vollkommen klar: circa jede fünfte Frau erlebt eine Fehlgeburt, aber das Thema war und ist ein unfassbar großes Tabu über das niemand so richtig reden will und alle lieber schweigen.
So viele Frauen samt ihrer Männer erleben das Gleiche wie ich, aber niemand spricht.
Auch hierüber dachte ich lange nach und fragte mich, warum wir Frauen über so etwas Einschneidendes, so etwas Leben veränderndes in Zeiten, wo die Begriffe Feminismus und Female Empowerment so oft verwendet werden, nicht offen sprechen. Denn was gibt es bitte bestärkenderes als sich als Frau in dieser außerordentlichen Situation bei einer anderen Frau Hilfe zu suchen? In meinen Augen: nicht viel. Als ich weiter darüber nachdachte fiel mir auf, dass der Grund hierfür folgender sein musste: es fehlt die Plattform. Niemand postet so ein Erlebnis einfach auf Instagram, setzt einen entsprechenden Facebook-Status ab oder erzählt so eine bewegende Geschichte mal eben beim Kaffeeklatsch.
Und dennoch passiert es täglich so vielen Frauen, die den Schmerz dann still und heimlich ertragen – und einfach nicht wissen wohin damit.
Nach längerem Grübeln kam ich zu folgendem Entschluss, weshalb ich mich zu eben diesem persönlichen Artikel entschieden habe: ich für mich kann meine Fehlgeburt nicht einfach so im Stillen verblassen lassen. Dafür habe ich diesen Blog, diese Plattform – auch wenn das Thema vielleicht etwas aus der Reihe tanzt. Ich will mein Erlebtes und meine Erkenntnis daraus mit anderen Frauen teilen. Am Weltfrauentag diesen Freitag war ich kurz davor, auch einen passenden Post auf Instagram abzusetzen, empfand diese Art des gegenseitigen Female Empowerments aufgrund meiner persönlichen Erfahrung aber als sinnvoller. Ich setzte mich an mein Laptop, schrieb diesen Text und hoffte hiermit ein Thema geöffnet und enttabuisiert zu haben, das so viele Frauen betrifft und denen ich sagen möchte: ihr seid nicht alleine. Es gibt hunderttausende Frauen wie mich da draußen, bei denen alles immer rosarot scheint, die aber das Gleiche wie ihr durchgemacht haben. Ich möchte Euch sagen: versucht Euch zu öffnen und dieses allgegenwärtige Thema ein Stück transparenter, echter, ’normaler‘ zu machen. Sprecht ehrlich darüber und tauscht Euch dazu aus. Ehrlichkeit und Offenheit in diesem Moment helfen ungemein, den Schmerz zu verarbeiten und diese unbegreifliche Situation erträglicher zu machen. Und zwar für alle. Glaubt mir, mit jedem Gespräch wird Euch das Erlebte leichter fallen, euer Herz wird heilen und ihr werdet neue Kraft finden in euer altes Leben zurück zu finden. Irgendwann, beim hundertsten Austausch, werdet ihr Euch selbst stolz auf die Schulter klopfen und nachvollziehen können, wie jeder Moment des gegenseitigen Supports den seelischen Schmerz gelindert hat. Denn wenn ich eine Sache in den letzten drei Monaten verstanden habe, dann ist es diese:
Geteiltes Leid ist nicht halbes Leid, aber die Empathie anderer schmälert den eigenen Schmerz.
Timo, my love, vielen Dank an dieser Stelle auch für all deine Liebe und deine Unterstützung. Du warst grandios! x, Swantje
P.S: Natürlich bin ich mir darüber bewusst, dass ich hier eine Geschichte erzählt habe, die dazu führen wird, dass mir in Zukunft alle auf den Bauch starren werden. Aber wisst ihr was? Es ist mir egal. Der Informationsgehalt und die Plattform, die ich anderen hier möglicherweise schaffe, stehen für mich über allem. Daher freue ich mich auch, wenn ihr kommentiert, eure Gedanken teilt und ein Austausch hierzu dieses Tabuthema etwas öffnet.
P.P.S.: wenn ihr mehr Informationen oder einen Austausch zu der Behandlung nach der Diagnose haben möchtet, schreibt mir eine Email an swantje@theoriginalcopy.de. Das Thema ist zu komplex und intim, um es hier in der Tiefe zu besprechen. Ich freue mich aber auf diskreterem Weg von Euch zu lesen.