Neulich beim Griechen, zwischen Wein und Ouzo, feierten drei Freundinnen und ich eine Reunion. Wir hatten uns seit eineinhalb Jahren nicht mehr gesehen und dementsprechend viel, sehr laut zu besprechen und zu betrinken. Nachdem wir das Berufliche beim Aperitif geklärt hatten, ging es zusammen mit dem Vorspeisenteller nahtlos weiter ans Eingelegte: Was macht die Liebe? Nichts. Das sei schon einmal vorweggenommen. Aber was war passiert? Beim letzten Treffen waren alle vergeben und ich trug ein frisch gebrochenes Herz mit mir herum. Der heutige Stand sieht so aus: Ich nach wie vor single, zwei der Girls hatten ihre Beziehungen beendet und eine verschwindet aus beruflichen Gründen in ein paar Monaten ins Ausland. Sie hinterlässt einen Freund sowie die gemeinsame Wohnung. Später, auf dem Heimweg, legte ich mir alle Einzelteile noch einmal gedanklich zurecht. Zusammengesetzt ergab das ein Bild, das Fragen für mich aufwarf. Sind wir Egoisten? Und wenn ja, ist das gut oder schlecht? Wie viel Egoismus vertragen bzw. brauchen zwischenmenschliche Beziehungen?
Wonach suchst du? Nach nichts. Ja, nein. Ich meine, was (means, was für einen Typ Mann) suchst du? In letzter Zeit führe ich diese Diskussion sehr häufig. Das liegt hauptsächlich an meinem neuen Umfeld und den damit verbundenen, wieder aufgenommenen Tinder-Aktivitäten. Wollte ich ehrlich sein, lautete die Antwort eine gute Zeit und joar Sex. Mehr nicht.
Keine Beziehung. Keine Verpflichtungen. Keine verletzten Gefühle (I wish).
Ich meine es ernst. Auch wenn mir die meisten Männer nicht glauben wollen und denken, es sei eine Strategie, ein Trick um mich interessant zu machen. Ich meine es so ernst, dass ich beinahe in meine Tinder-Capture „Ich bin NICHT deine große Liebe“ geschrieben hätte. Aber auch das hätte vermutlich nicht funktioniert.
Laut Definition zeichnet Egoismus eine Haltung aus, die die eigenen Wünsche in den Mittelpunkt stellt. Schuldig. Demnach bin ich eine Egoistin und meine Freundinnen gehören ebenfalls zum Club. Auch der Freund einer Freundin kann sich diesen Stempel aufdrücken. Eigentlich mehr als das. Er kann sich die Krone aufsetzen. Denn er ist der König der Egoisten, nachdem er verkündet hat eine offene Beziehung führen zu wollen. Früher zu Zeiten von „Was Frauen wollen“ gab es einen offiziellen Titel für Männer wie ihn: Arschloch. Männer waren Schweine. Aber haben wir nicht gelernt, dass es mindestens okay, wenn nicht sogar notwendig ist seinen eigenen Bedürfnissen Raum zu schaffen und sie zu befriedigen? Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann auf Dauer ein guter Partner sein, richtig? Bis es jedoch soweit ist, muss über die ein oder andere Leiche gegangen werden, scheint mir. Dabei werden Gefühle verletzt und Herzen gebrochen, auch wenn das nicht gewollt ist. Auf der anderen Seite, darf man sich wiederum keine Hoffnungen machen, wenn jemand ein Schild mit der großen, fetten Leuchtschrift „No Strings Attached“ rumträgt.
Das mag alles abgestumpft klingen und ich weiß, dass ich damit einen Nerv treffe. Tatsächlich ist das aber das Resultat etlicher Stunden der Selbstreflexion. Ich weiß heute ganz genau was ich will und kann das auch zum Ausdruck bringen. Aus diesem Grund funktioniert Tinder für mich und viele andere wunderbar. Wir machen uns keine Illusionen. Wie oft ich nach Tinder-Diskussionen in ratlose, manchmal sogar verurteilende Gesichter geblickt habe (vor allem während Unterhaltungen mit anderen Frauen), kann ich nicht mehr zählen.
Von einer Frau erwartet man eben kein „Arschlochgehabe“.
Das, so haben wir dank Mel Gibson gelernt, ist für Männer bestimmt. Ich musste feststellen, dass Frauen, die ihre Sexualität frei ausleben und das offen kommunizieren, für viele in der Theorie, im Film oder in Serien, wie „Sex and the City“ okay sind. Wenn eine Samantha oder eine Miranda einen Carrie und Charlotte-Gegenpart hat, um die „sexuelle Aggressivität“ zu neutralisieren– so charakterisierte eine Bekannte einmal mein Dating-Verhalten. So ein Quatsch. Feels like 1492.
Um auf meine anfangs gestellten Fragen zurückzukommen, denke ich, dass wir bis zu einem gewissen Grad alle Egoisten sein sollten, legten wir den Begriff der Definition nach aus. Anders würden wir in keinem Lebensbereich weiterkommen. Darüber hinaus kann eine gesunde Beziehung, ob casual gehalten oder fest, nur funktionieren, wenn ein ausgeglichenes Machtverhältnis besteht – und das ist der Fall, wenn beide Parteien auch ihre eigenen Interessen verfolgen. Darüber hinaus sind wir ein Leben lang mit uns selbst in einer Beziehung – und diese Liebe braucht ganz besondere Pflege.