„Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht? Unsere wievielte Verabredung ist das? Was heißt das, also was…ich meine was ist das…?“ Aus alter Gewohnheit sowie einer Mischung aus Unbehagen und Panik falle ich ihm ins Wort, noch bevor er seinen Satz und den Gedanken dahinter beenden kann. Ich erkläre hastig, dass ich sowas nicht zählen würde. Wozu denn auch? Ich lüge. Ich zähle sehr wohl. Das versuche ich mir jedoch nicht anmerken zu lassen. In meiner unbeholfenen Argumentation überschlage ich mich ein paar Mal, verschlucke Wortfragmente und weise schließlich auf die Enten hin, die sich vor uns in der Isar im Kreis treiben lassen – ein treffenderes Abbild meiner Gedanken kann ich mir in diesem Moment nicht vorstellen. Jetzt herrscht Stille. Wir beide beobachten die Wasservögel, die mich stumm verhöhnen, dann versuche ich es mit einem Witz. Er geht darauf ein und das Leben weiter. Auf dem Nachhauseweg überlege ich, ob seine halbausgesprochene Überlegung eine Bedeutung hatte. Mag er mich? Mag ich ihn? Mögen wir uns? Wenn nein, was dann? Wenn ja, was bedeutet das? Was heißt überhaupt mögen? Ist das jetzt schon ernst? Ah, Gefühle. Ätzend, umständlich, anstrengend. Am Ende lande ich bei der Frage, die diesen Gedankenstrom überhaupt erst ausgelöst hat: Was ist das, was wir hier machen? In der U-Bahn zwischen Fraunhofer und Silberhornstraße befinde ich mich in einem imaginären Archiv aus Erinnerungen und scanne alte Gespräche. Er sagte, Frauen würden sich immer gleich verlieben. A****. Ich nicht. Das weiß er, wenn er meine Kolumnen liest. Und das macht er, das weiß ich wiederum. Auch wenn er insistiert dies nicht zu tun, weil er es mir anfangs versprochen hat. Der nächste Sonntag soll schließlich die Antwort bringen. Es ist spät. Wir laufen beide nebeneinander auf einer leeren Straße am Englischen Garten. Wir waren Eis essen und haben Dirty Dancing geguckt. Nun will er mich nach Hause fahren. Voll romantisch. Er legt seinen Arm um mich, zieht mich näher an sich ran und sagt:
„Das war ein richtig schöner Abend, dafür, dass es bloß Bumsen und Eis war.“
Ich bin verwirrt. Bumsen und Eis. Es war als Witz gemeint. Wir haben beide darüber gelacht. Normalerweise bin ich nicht so dünnhäutig, ich kann ordentlich austeilen und einstecken. Warum kratzt mich das also im Nachhinein so? Ich denke, wir wissen alle, warum mich diese Aussage ein bisschen mehr getroffen hat, als ich zugeben will. Allerdings würde ich mir lieber die Zunge abbeißen, bevor ich ihm das ins Gesicht sage. Ich habe gemauert. Einen feinsäuberlichen Steinkreis, der über die Jahre zu einem Turm geworden ist. Darin ging es mir gut. Blendend sogar. Den Rapunzelzopf habe ich gekappt – wortwörtlich. So habe ich die vergangenen Monate verbracht. Mit flüchtigen Bekanntschaften und einer Menge Spaß. Ohne Verpflichtungen. Ohne Gefühle. Ohne verletzt zu werden. Eins A. Dabei habe ich Annäherungsversuche der Gegenpartei fleißig abgeblockt. Ich hatte eine gute Zeit. Jetzt bin ich verwirrt. Der einzige Trost ist, dass sich eine Freundin von mir derzeit in genau derselben Situation befindet. Obwohl wir beide in München wohnen, schaffen wir es momentan nicht uns so oft wie nötig zu sehen. Aufgrund des akuten Redebedarfs, haben wir daher eine Kommunikationsstrategie entwickelt die wie folgt aussieht: Von sieben bis neun Uhr morgens schicken wir Sprachnachrichten, danach kommunizieren wir bis 18 Uhr via Messenger, ab Feierabend dann wieder Voice Mails. Das hilft wenigstens ein bisschen. Zwar nicht dabei den Knoten in meinem Kopf zu lösen, der sieht nach wie vor aus wie mein Headphone-Kabel, nein, es hilft dabei sich nicht so dumm und alleine zu fühlen.
Ich fürchte, heute habe ich keine erheiternden Sexgeschichten für euch. Ich musste einfach mal loswerden, dass ich verwirrt bin.
Das ist die Kehrseite des lustigen Singlelebens. Es ist nicht so, dass ich abends im Bett liege und James Blunt Back to Bedlam höre so wie mit 14 oder ihn auf sämtlichen Social Media Kanälen stalke. Null. Aber diese ganze Sache beschäftigt mich schon. Das sowie meine Probleme damit umzugehen. Wenn ich eines bin, dann ehrlich zu mir selbst – so ist es ja nicht. Ich bin mir zudem sehr wohl bewusst, dass ich mit diesem Verhalten nicht alleine stehe. Keine Commitments. Das ist das Motto, dass sich viele auf die Fahne geschrieben haben. Bekanntlich kommt man damit leichter durchs Leben. Zumindest ein Stück weit. Darüber liest und hört man viel. Über das, was passiert, wenn man am Ende dieser munter-lustigen Reise angekommen ist, darüber schreiben und reden jedoch die Wenigsten. Weil man sich damit angreifbar macht. Um meine beste Freundin zu zitieren: „Sarah, du kannst dich nicht ewig in deinem Schneckenhaus verkriechen.“ Bla, bla. Und um obendrauf in dieser Sache meine Mama noch zu Wort kommen zu lassen: „Du kannst dein Herz nicht ewig verschließen.“ Ihr habt ja recht.
Dieser Text ist nicht auf einen Mann bezogen, sondern ausschließlich auf mich und das Gedankenkarussel in meinem Kopf. Ob es am Ende zu einem neunten Date kommt, weiß ich nicht. Aber immerhin habe ich es endlich geschafft einen Arm aus dem Turmfenster zu halten und zu winken, womit die Verwirrung hoffentlich endlich ein Ende hat. Egal mit welchem Ergebnis.