„Yeah! High five!“ Mit ausgestrecktem Arm und durchgedrücktem Rücken stehe ich vor meiner Kollegin. Fünf peinliche Sekunden vergehen (der ultimative Schlag-ein-Fail). Sie checkt es immer noch nicht und ich, dass längst etwas anderes ihre Aufmerksamkeit erregt hat. Ein, zwei nachdenkliche Blicke auf meine Achsel später. Fussel? Schweiß? Haare! „Ach ist es mal wieder so weit?“ flachsend begegne ich der Situation mit einem Crest-Lachen. Denn obwohl ich gerne mal großflächig unrasiert und mit Ansatz rumlaufe, bleache ich mir zum Beispiel die Zähne. Ein Beauty-Paradoxon. In der U-Bahn auf dem Weg nach Hause turnt mich der Gedanke an duschen und rasieren total ab. Verzweiflung überkommt mich. Schnell Instagram öffnen und nach Ablenkung suchen. #freethepits, #glitterpits, @thegaybeards und Co. helfen mir durch die Krise. Am Ende der Fahrt steht meine Abendplanung: kurz abbrausen und lieber vier statt drei Folgen Ally McBeal gucken. Ich schließe mich Richard Fish an und sage: „Schwamm drüber!“
Waxen statt wachsen oder wachsen statt waxen? Eine Frage, die eine Kontroverse hervorgerufen hat und das nicht nur unter Lippenstift hortenden Beauties. Hand auf die behaarte oder babyarschglatte Brust – auch Männer haben diesbezüglich ihre eigene Meinung. Rasiert versus unrasiert. Zwei Beauty-Dogmen. Zwei Schönheitsideale, die sich 2016 gegenüber stehen – ohne Frage, beide haben ihre Berechtigung.
Ein Rückblick auf vergangene Epochen zeigt, dass sich schon vor 20.000 Jahren die ersten Menschen mit der Körperwolle und ihren Pro’s und Con’s beschäftigen. Die schönheitssüchtigen Griechen zupften, hobelten und rasierten, bis der Arzt kam. Vielleicht um beim Fackellauf aerodynamischer zu sein – oder weil sie einen unbehaarten Körper als ästhetischer empfanden. Schwer vorstellbar, aber Kendall, Kylie und Gigi waren nicht immer das Maß aller Dinge, nicht immer die heilige Beauty-Dreifaltigkeit. Im Mittelalter eiferte die Fashionista der Jungfrau Maria nach. Deren Schoß, dem Namen nach, genauso unbefleckt wie glatt rasiert war. Ein paar Jahrhunderte später löste der Realismus von Gustav Courbet und „der Ursprung der Welt“ – ein Blick zwischen die Beine einer nackten Frau – einen Skandal aus. Zu nah am Leben war das wohl auch Frida Kahlo, die sich mit ihrer überirdischen Werwolfbraue in den Surrealismus flüchtete. Das 1965 entstandene Musical „Hair“ lässt abschließend keine Fragen mehr offen. Auch ungesehen weiß jeder, worum es geht.
Mit 24 Jahren nervt mich die Beauty-Routine zunehmend. Erschwerend kommt das Singledasein hinzu. Durch die vorangegangene dreijährige Fernbeziehung habe ich es mit einer Viererpackung Rasierklingen geschafft.
Zwar kein Sex, dafür mehr Geld für Vino.
Auf die Gefahr hin, wie meine Mutter zu klingen: Die Jahre rasen ab einem gewissen Alter an einem vorbei – konnte ja keiner ahnen, dass das schon mit Mitte zwanzig so weit sein würde. Sechs Monate sind um, wenn ich wieder bei meiner Frauenärztin sitze und sie auf meine mal mehr, mal weniger frisierte Scham starrt, während wir über meinen aktuellen Beziehungsstatus schnacken. Acht Wochen sind ein Haaransatz. Wie schnell sieben Tage vergehen, zeigt der Blick unter den Arm. Tick tack: Ich setze Prioritäten, poliere mich oberflächlich auf Hochglanz. Für mehr will ich im Moment keine Zeit haben.
Die Glitterpits-Bewegung ist nicht nur eine Gegenströmung und ein Protest gegen das Enthaarungs-Diktat, sondern ein stylisher und ebenso lustiger Aufruf sich mal wieder locker zu machen. Ein Rasierer hat noch keinen Krieg gewonnen. Eine Pinzette noch kein Leben gerettet. Bedauerlich ist allerdings, dass ich mich nicht ganzkörpereinglitzern kann. Mit einem Augenzwinkern wird aus den funkelnden Achseln, Brauen und Ansätzen sogar ein Look für das nächste Festival. Ich bin jedenfalls restlos begeistert. Ganz verliebt in meine Glitterpits. Falls ich jemals die Bilder von Samanthas brennendem Busch in Sex and the City loswerde, heißt das nächste Level Achselhaare färben. Like Miley. Fest steht: Mit Strass unter den Armen hätte ich meine Kollegin nicht versteinert.
Das High-Fiven sollte ich dennoch lassen.
Das wird nie wieder cool.
Credit: Sarah Thiele, Elena Otto Photography