Ich hätte es ja selber nicht geglaubt, wenn ich nicht eines Morgens nass aufgewacht wäre. Nein, meine Mitbewohnerinnen haben meine Hand nicht in eine Schale lauwarmes Wasser gehalten, während ich schlief. Der Sommer hat bloß Hamburg erreicht. Ich dachte bis dato immer die vierte Jahreszeit sei eine Legende. Von Schafskälte auf subtropisches Klima in null Komma zwei Sekunden. Der Norddeutsche Wettergott ist chronisch unentschlossen und ein Schnellkommer. Hilflos muss ich seither dabei zusehen, wie meine Augenbrauen im Laufe des Tages die Kurve kratzen, um sich einen klimatisierten Platz zu suchen. Das Oberlippen-Highlight kann ich mir sparen. Denn der S.A.M.O. – zu deutsch – der Schweiß auf meiner Oberlippe teilt genügend Eigenschaften meiner Strobe Cream und verträgt sich darüber hinaus überhaupt nicht mit meiner Cream Color Base. Der Film, der sich in dem Flausch unter meiner Nase breitgemacht hat ist ein Platzhirsch und will einfach nicht gehen. Ich bin machtlos. Ich schwitze, kann nichts dagegen tun und hasse es. Fettige Haare, unrasierte Achseln, Lippenstift auf den Zähnen, das alles juckt mich nicht. Mir ist kaum etwas unangenehm. Kaum etwas bis auf zu transpirieren. Solltet ihr in nächster Zeit eine Irre auf der Straße dabei beobachten, wie sie mit ausgebreiteten Armen impulsiv losrast, bin ich das, bei dem Versuch die Flecken unter meinen Armen zu trocknen.
Ab einer Luftfeuchtigkeit von 60 % schrumpfe nicht nur ich, durch den Flüssigkeitsverlust, sondern auch die Farbpalette meiner Kleiderstange. Ich beneide Girls, die bei diesem Wetter graue Jerseyshirts tragen können. Oder Maxikleider. Von drei auf zwei. Mir bleibt jetzt nur noch schwarz-weiß. Jogi kennt das Problem. Statt über die Spielverläufe zu sprechen, waren am nächsten Tag seine Schweißflecken das vorherrschende Gesprächsthema auf sämtlichen Social Media Kanälen. Nass auf Grau. Mir tat er leid. Bis zu dem Zeitpunkt, als seine Hand beschloss für einen Moment abzutauchen, nur um im Nächsten unter seiner Nase zu kleben. Abartig. Aber darum geht es nicht.
Schwitzen ist ein Beauty-Problem, dem wenig Verständnis entgegen gebracht wird. Eklig ist der wohl am häufigsten gebrauchte Tonus. Ungewaschen und unhygienisch sind weitere Assoziationen. Auf mich trifft keine der genannten Attribute zu. Ich dufte hervorragend und bin so sauber, wie eine Sagrotantestküche. Trotzdem haben diese Arschkinder über mich in der Bahn gelästert. Neulich, bei zehn Trillionen Grad Celsius haftete ich auf einem Kunstledersitz und zerfloss.
Dieser Junge und sein fieser dunkler Oberlippenflaum hatten in Axe gebadet. Keine verräterischen Flecken, das muss ich ihm lassen. Dafür drang aus seiner Richtung ein Odeur aus Teenagerschweiß und Billigparfum – eine Kombi, die mich am liebsten in den Minimülleimer neben mir hätte kotzen lassen.
Beinahe genauso traumatisch war mein letztes Date. Aufgrund der bereits oben erwähnten minimierten Garderobe entschied ich mich für eine schwarze, weite Stoffschlaghose. Garantiert luftdurchlässig und fleckensicher. Nach drei Stunden anregender Konversation und einer Flasche Wein knatschte ich langsam auf meinem Stuhl hin und her. Ich beschloss das Gespräch kurz zu unterbrechen, um die Toilette aufzusuchen. Als ich aufstand, klebte nicht nur die Hose an meinen Beinen fest, sie saß auch an einer völlig falschen Stelle. Ich bekam sie nicht runtergezogen. Dazu hatte ich einen 1-A-Stempel auf meinem Stuhl hinterlassen.
Geil, Arschwasser und ’n Cameltoe!
Der einzige Schweiß, über den ich lachen kann, ist der, der sich zwischen den Möpsen sammelt. Meine Schwester auf der Gegenseite gar nicht. Sie ist fünf Jahre jünger, weshalb ihr das Schicksal, als (un)-gerechten Ausgleich gefühlt fünf Körbchengrößen größer verpasst hat. Im Vergleich zu ihr habe ich den Bereich „unter den Brüsten“ nicht. Ergo kann ich an dieser Körperstelle auch nicht schwitzen. Sie schon. Ich liebe es, wenn sie im Sommer ihr Shirt unterklemmt. Und brülle, wenn sie ganz casual ihre Titten anhebt, während sie nackt vor dem Ventilator steht. Im Allgemeinen stört mich der Schweiß anderer nicht. Nur mein Eigener. Außerdem riecht das Transpirant meiner Schwester nach Zuckerwatte und Einhörnern. Dass es sie dennoch belastet, kann ich vollkommen nachvollziehen. Meine Mama warf mal in die Runde, dass sie sich Binden unter die Brüste kleben könnte. Ich heule immer noch bei der Vorstellung.
Die Booby-Traps am Ende eines heißen Tages abzulegen hat beinahe sakralen Charakter. Nur keinen BH zu tragen ist schöner. Auf mein feuchtes Problem bezogen würde das bedeuten, nackt den Alltag bestreiten zu müssen. Zumindest privat lässt sich das umsetzen – so lange, bis meine Mitbewohnerinnen aus dem Urlaub wiederkommen. Für die Zukunft werde ich lernen müssen damit klarzukommen.
Gene sind Gene, und wenn der eigene Vater Axel heißt, hat man eh verloren.
Credit: Sarah Thiele, The Original Copy