Ich bin die erste, die hier schreit, wenn es um Skurrilitäten und Verrücktheiten geht. Als also die letzte Ausgabe der TUSH bei uns in der Redaktion eintrudelte, stürzte ich mich nicht auf das beiliegende Shirt oder die Pins, sondern auf ein eher unscheinbares, kleines, gelbes Fläschchen. Darauf stand nicht viel, außer der Name FUR YOU sowie der Verwendungszweck: „For pubic hair.“ SCHAMHAARÖL, cool. Das wanderte natürlich ohne Umwege direkt in meine Tasche. Ich wollte diese Kosmetikkuriosität unbedingt testen. Dabei stellte sich schnell das erste Problem ein. Ich war glatt rasiert. Also ließ ich kurzerhand, unter Juckreiz und Gezeter zwei Monate meine Schamhaare zu einem Busch wachsen. Um meine Neugierde zu stillen, für den Dienst an der Wissenschaft und euch natürlich.
Schamhaarpflege, echt jetzt?
Ist das wirklich nötig? Schmieren wir nicht schon genug? Und sollte man im Intimbereich nicht besonders vorsichtig sein? All diese Fragen und noch viele mehr, stellte ich mir während dieser Wachstumsphase. Ich mag zwar faul sein und mich lieber seltener als häufiger rasieren, einen Vollbusch hatte ich allerdings noch nie. Bevor es dazu kommen konnte, ging ich dann doch jedes Mal wieder mit der Machete bei. Den Urwald abholzen. Einmal wieder alles auf null. Verrückterweise wurde ich in dieser Zeit für eine Reportage angefragt, in der es um Frauen gehen sollte, die ihre Körperhaare ihren eigenen Weg gehen lassen. Aufmerksam wurde die Journalistin auf mich durch die damalige Kolumne, in der ich über meine Rasierversion berichtete. Ich fühlte mich ein wenig ertappt und unwohl mit der Vorstellung diesbezüglich ein Interview zu geben. Immerhin ist meine Enthaarungsroutine nicht das Resultat (m)einer Überzeugung, sondern Faulheit geschuldet.
Die Entdeckung des Schamhaaröls sowie die Interviewanfrage führten mich schließlich zu dem Gedanken, dass wir nur entweder oder kennen. Zwei Radikale. Entweder ab oder Wildwuchs. Platz für etwas dazwischen gibt es nicht – schon gar nicht für eine Pflegeroutine abseits des Intimwaschgels. Wir seifen, cremen, peelen, pflegen und schenken zwar sonst jedem Zentimeter unseres Körpers Aufmerksamkeit, aber Haaren und Haut unserer empfindlichsten Körperstellen etwas Zuwendung schenken, also das ist Quatsch. Wobei hier auch nie von Schamhaaren die Rede ist. Höchstens von Produkten für die Intim- oder Bikinizone. Nennt das Kind bloß nicht beim Namen.
Wie oft habe ich nach der Rasur schon gedacht, dass ich jetzt gerne eine Lotion hätte, mit der ich die gereizte Haut pflegen und beruhigen kann. Etwas, das gegen Pickelchen und Rötungen hilft. Mit der parfumierten Bodylotion, die zudem immer wechselt, wollte/will ich da ungerne ran. Also muss in diesen Fällen die gute, alte Vaseline herhalten. Das ist mit Sicherheit auch keine schlechte Wahl, allerdings ist es doch interessant, dass wir alle Schamhaare haben, wir alle unter denselben Problemen leiden (inklusiver eingewachsener Haare), wir ergo alle dieselben Bedürfnisse haben, es aber kein speziell darauf abgestimmtes Produkt gibt. Wie konnte der Markt diese riesige, fette Lücke all die Jahre übersehen? Die Antwort: Aus Scham vor den Haaren. Die meisten von uns mögen ihr „pubic hair“ nicht so besonders. Weil es dicker, als das Kopfhaar ist und frech hin und her schütteln lässt es sich auch nicht. Wie würde uns aber unsere Mähne gefallen, wenn wir sie stiefmütterlich mit Wasser und Duschgel waschen würden? Schonmal darüber nachgedacht? Vermutlich hätten wir mit ihnen so auch wenig Geduld.
„Few things in life are certain, but pubic hair is one of them. FUR is the first line of products that cares for pubic hair/skin. No more ingrowns, bumps, or irritation. Our products give your pubes a chance.“
FUR YOU
Ähnliche Gedanken haben sich auch die drei Gründerinnen der Marke FUR gemacht. Den Impuls eine Kosmetiklinie zu kreieren, die sich ausschließlich um die Pflege Down Under kümmern sollte, gab die erfolglose Suche nach etwas wie einem Conditioner, der die ihre eigenen Borsten weicher machen könnte. So entstand vor etwas über einem Jahr das erste ‚Oil‘ (ca. 44 $) für Schamhaare. Bald darauf kamen dann noch das ‚Ingrown Concentrat‘ (ca. 28 $) hinzu, dass mit einem Peeling-Handschuh geliefert wird und vor eingewachsenen Haaren schützen sowie Entzündungen der Haut minimieren soll.
Als letzte Innovation brachten die New Yorkerinnen die ‚Stubble Cream‘ (ca. 34 $) heraus. Täglich angewandt sollen hiermit Stoppeln weicher gemacht und ebenfalls eingewachsenen Haaren vorbeugt werden. Scheint zu funktionieren. Die Creme ist nämlich ständig ausverkauft. Eventuell hat Emma Watson etwas damit zu tun, die öffentlich zugab ein großer Fan der Brand zu sein und die Produkte regelmäßig zu benutzen. Diese sind alle dermatologisch, gynäkologisch, nicht an Tieren getestet sowie frei von Parabenen und Silikonen. Darüber hinaus wird auf künstliche Farb- und Duftstoffe verzichtet.
Das Packaging
Wie aber potenzielle Kunden von einem Produkt überzeugen, dass sich um die Pflege der Schamhaare kümmern soll? Schamhaare, um Gottes Willen! Ein Begriff der bis vor einem Jahr komplett werbefremd war. Na, mit einem coolen Design. Denn eins ist klar: Einen Millenial ködert man mit Image und Fotogenität. Das Design der Produkte ist so edel, dass man das Schamhaaröl am liebsten in seine fancy Kommoden-Dekoration, zwischen Duftkerzen, Independent Magazinen und Ausstellungskatalogen integrieren würde. Niemand würde auf den ersten Blick auf die Funktion des Inhaltes schließen. Und genau so ist das Öl z.B. in Emma Watsons Top Shelfie oder der TUSH gelandet.
Kult oder Quatsch?
Ich habe meinen Selbsttest nun abgeschlossen. Obwohl das Öl meine Intimperücke wirklich super soft gepflegt hat, ist es einfach nicht meine Sache einen Vollbusch zu tragen. Also wieder weg damit. Meine persönlichen Präferenzen ändern allerdings nichts an der Tatsache, dass das Produkt funktioniert und in meinen Augen durch seine Einzigartigkeit sowie das überzeugende Konzept echten Kultstatus erreichen könnte. Schamhaar- oder auch Intimbereichpflege ist eine Nische, die bisher nicht ausgefüllt ist und ein konkretes Bedürfniss abdeckt. Sobald ich die Stubble Cream in die Hände bekomme, werde ich den Rest der Produkte auschecken. Was für Emma funktioniert, kann für uns ja nicht schlecht sein.