Er wird doch nicht..nein. Nein, das…was macht…ähm. Oy. Das ist keine gute Idee…Und schon ist er an meinen Füßen dran. Verdammt, er ist flink. Was tut er da? Och nö. „Du, ich weiß nicht, wirklich..“ Ich versuche ihm irgendwie klar zu machen, dass ich über 15 Stunden in meinen Sneakern gesteckt habe. Langsam fange ich an zu begreifen, dass das mein Problem ist und nicht seins. Er scheint den Odeur meiner Mauken gerade richtig zu finden. Okay, nein. So weit sind wir echt noch nicht. Stellungswechsel folgt Stellungswechsel, trotzdem findet er den Weg immer irgendwie zurück. Einige wären vermutlich einfach aufgestanden und gegangen, aber ich war zu fasziniert, von dem was sich die meiste Zeit vor mir abspielte. Dass der Typ eindeutig auf Füße steht, ist uns sicher allen klar. Als ich ihn jedoch später darauf anspreche, schaut er mich bloß mit entsetzter Miene an und entgegnet: „Was? Wie kommst du darauf?“ Aaah, verstehe. Das ist niemals passiert. Welches Raumschiff?
Es gibt Dinge, die sich in der Vorstellung wahnsinnig gut anfühlen. Ausgelebt sind Vorlieben und heimliche Fantasien, ob ausgefallen, basic, whatever, ganz egal, leider nicht immer geil. So wie Sex im Auto. Oder Sex im Fahrstuhl – einfach nein.
Es gibt kein Gebäude in Deutschland, das hoch genug ist, um eine Nummer im Aufzug zu schieben. Die Zeit reicht höchstens für einmal rein und raus.
Und dann? Ist man nicht zum Abschluss gekommen und horny. Der Klassiker ist aber meiner Erfahrung nach Sex an der Wand. Im Kopf hast du vor Augen, wie er dich hebt und stürmisch gegen die Wand drückt. In der Realität hat dein Freund leider Spaghettiarme, ergo weder die Kraft dich hochzuhieven, noch dich oben zu halten. Oder er ist nur zwei Zentimeter größer als du selbst. Das sieht dann ungefähr so aus, wie ein Hüne auf einem Pony. Du kannst quasi mitlaufen. Desillusioniert steht man dann eine Weile da, so wie ich nach meinem ersten Kuss. Angesabbert, triefend und völlig verstört von der tatsächlichen Länge einer menschlichen Zunge. Das ist dieses Küssen? Das ist also Sex an der Wand?
Lustigerweise gehen die Leute neuerdings davon aus, ich hätte irgendwelche versauten Fantasien. Irgendwelche abgedrehten Leidenschaften und wäre eine Granate im Bett. Hey, was soll ich machen, jeder darf seine eigenen Schlüsse ziehen. Ich enttäusche meine Gesprächspartner zwar nur ungern, aber die Antwort, die folgt, ist immer dieselbe: Nein, ich habe keine Vorlieben (der Teil mit der Granate stimmt natürlich). Ich lasse es einfach auf mich zukommen, würde ich sagen. Noch spannender ist jedoch, dass mir in denselben Unterhaltungen ungefragt Fantasien von „Freunden“ mitgeteilt werden. Ein Bekannter, einer Bekannten schrieb ihr nach der ersten gemeinsamen Nacht, dass er für das nächste Mal eine Plane besorgen würde und zwei Flaschen Öl. Was er damit vorhatte, kann ich leider nicht berichten, da ich explosionsartig loslachen musste. So habe ich die Pointe verpasst. Eine gute Freundin von mir stellte ihren damaligen Freund während des Sexes vor die Herausforderung gefesselt werden zu wollen. In der Eile, mit minimaler Gehirnleistung, organisierte er schließlich ein Bügeleisenkabel (mit Bügeleisen dran) und versuchte so ihre Handgelenke zu fixieren. Eine andere Freundin machte unter der Dusche mal die Entdeckung, dass ihr Freund darauf steht ihr die Haare zu waschen. Jeder so wie er mag, sage ich da nur. Solange darüber im Vorfeld gesprochen wird. Nicht einfach so an den Füßen weitestgehend unbekannter Menschen lutschen. Das macht man nicht. Und bevor man verkündet ein Ölfass zu beschaffen um danach Fettabdrücke an die Wand zu stempeln oder was weiß ich, vorsichtig antasten wie entspannt der andere drauf ist.
Neulich bei einer Tasse Kaffee, hat mir der halbblinde Typ, von dem ich letzte Woche berichtet habe, gesteckt, er hätte gedacht, dass ich „krasser drauf wäre“, weil ich über Sex schreibe.
Ja, klar. Ich habe immer ein Andreaskreuz dabei – in meiner Mary Poppins-Tasche und dazu ein Löffelchen voll Zucker, als Belohnung für den guten Jungen. Woher kommt überhaupt dieser BDSM-Hype? Kann es wirklich sein, dass der durch Fifty Shades of Grey ausgelöst wurde? Ich will das einfach nicht glauben. Das einzige, was Mr. Grey mit ’ner Feder in der Hand und Ellie Goulding Soundtrack bei mir in Wallung bringen, ist mein Melatonin-Spiegel. Ich weiß, ich mache mir hier Feinde, aber den Typ und sein Spielzeug könntet ihr mir nackt vor den Bauch binden und es würde nichts laufen. Ich habe dem Maulwurf dann versucht zu erklären, dass nur weil Hollywood eine Peitsche, ein paar Nippel und einen Massenhysterien auslösenden Milchbrötchentyp im Anzug rausgeholt hat, ich mir selber nicht den Druck machen werde irgendwas auszuprobieren, wonach ich mich jetzt noch nicht fühle und vielleicht niemals fühlen werde.
Was sollen wir denn in zwanzig-dreißig Jahren machen, wenn wir jetzt schon in den Baumarkt rennen und extra starke Dübel und Haken für abgefahrene Fesselkonstruktionen besorgen? Ich sehe das so wie mit Make-up: steigerungsfähig bleiben, lautet die Devise. Ein wenig Abwechslung, ein bisschen Farbe ab und an ist sicher nicht schlecht, aber insgesamt gilt für mich, erst einmal die Basics richtig zu beherrschen.
Und außerdem, wenn ich tagsüber schon Fake Lashes und ein Smokey Eye trage, wie soll ich das am Abend noch toppen?