„Brauchst du vielleicht einen Flammenwerfer? Du weißt schon, dass das nicht ansteckend ist?“ Interessiert beobachte ich meinen One-Night-Stand vom Türrahmen aus. Seit fünf Minuten bearbeitet er die Erinnerung eines centstückgroßen Menstruationsblutflecks, der sich auf ’seiner Seite‘ des Lakens befand. „Es ist okay, Sarah. Wirklich, ich bin 35 Jahre alt. Ich kann mit sowas umgehen,“ sagt er und rauscht an mir vorbei. Ich habe nicht mal Zeit so zu tun als würde ich mir ein Lachen verkneifen, da ist er schon wieder mit einem Handtuch bewaffnet zurück. Doppelt hält besser und Henry* will offensichtlich kein Risiko eingehen. Also legt er das weiße Frottee als extra Vorsichtsmaßnahme über den nicht mehr existenten Fleck. Damit signalisiert er mir, dass er jetzt gerne das Licht löschen, schlafen und einfach nur vergessen würde. Ich habe der Situation auch nichts mehr hinzuzufügen, außer, dass er in seinem Anflug von Panik ungefragt meine Schlafanzughose benutzt hat, um sich zu säubern und ich deshalb fröre. In dieser Nacht machen wir beide kein Auge zu: Ich denke darüber nach, dass ich das Wochenende mit einem Mann verbringen werde, der die geistige Reife eines Zwölfjährigen hat. Henry fühlt sich darin bestätigt, dass Frauen Schuld sind an saurem Wein und einer verdorbenen Ernte.
Nicht nur Henry war enttäuscht. Ich hatte mir auch etwas mehr erhofft. Wir hatten uns über eine bekannte Dating-App kennengelernt. Der Haken an der Sache war, dass wir nicht in derselben Stadt wohnten. Das war ihm allerdings so egal, dass er mir einen Flug buchte und wir unser Treffen zwei Wochen im Voraus planten. Blöd, dass ich kurz vorher außerplanmäßig, bedingt durch ein totales Hormonchaos, meine Tage bekam. Was jetzt?
Ich wollte immerhin nicht zum Händchenhalten quer durch ganz Deutschland reisen.
Aber einem wildfremden Dude absagen, weil ich meine Periode habe? Das kam mir auch seltsam vor. Ich beschloss nichts zu sagen und das Ganze zu beobachten. Am Freitag kurz vor der Abreise tat mein Uterus so, als hätte er sich wieder eingekriegt und wir beide waren bereit für unser erstes Blind Date. Im Nachhinein betrachtet war das in vielerlei Hinsicht ein völliger Reinfall. Aber das konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen.
Als ich Sonntagabend im Flieger zurück nach Hamburg saß, dachte ich über hormonelles Timing nach. Über Sex, den eigenen Menstruationszyklus und eine offene Kommunikation. Es war nicht das erste Mal, dass die Natur der Dinge mein Sexleben einschränkte. Viele Frauen haben Lust auf Sex wenn sie ihre Tage haben. Viele Frauen nicht. Das lässt sich nicht pauschalisieren. Fest steht: Blut ist nicht jedermanns Sache. Ich persönlich muss es danach auch nicht überall kleben haben. Mein ehemaliger Mitbewohner wurde sogar ohnmächtig, als er mit seiner Freundin Sex hatte. Um eine Sauerei zu umgehen, wählten die beiden die Dusche. Eigentlich eine gute Idee. Jedoch verteilte sich durch das Wasser alles so wunderbar gleichmäßig, dass Nils kurz die Knie weich wurden. Das hat, wie in Henrys Fall nichts mit Ekel zu tun, sondern ist eine total menschliche Reaktion.
Zu Hause schmiss ich sofort Google an. Die Antwort auf meine Frage nach einer Art Stöpselmechanismus, so stellte ich es mir zumindest vor, war schließlich der Softtampon. Die einzigen Informationen, die ich dazu finden konnte, waren aus irgendwelchen zweifelhaften Foren: Softtampons kann man in Sexshops kaufen oder in der Apotheke; sie sind für den Partner nicht spürbar; die Entfernung stellt sich leider oft als schwierig heraus. Das war mir zu schwammig (ha, Wortspiel). Ich musste das mit eigenen Augen sehen: Ich bestellte eine Zehnerpackung auf eis.de (3 Stück für ca. 4€) und beschloss aus Sicherheitsgründen vor der ersten Anwendung den Segen meiner Frauenärztin einzuholen:
„Frau Thiele, haben sie mal ordentlich viel Spaß und wenn sie einen nicht rauskriegen, kommen Sie zu mir.“
Was soll ich sagen? Die Dinger funktionieren tatsächlich. Die flexiblen Schwämmchen sehen aus wie rosa Herzen. Auch wenn sie riesig im Vergleich zu einem herkömmlichen Tampon sind, bekommt man sie einwandfrei reingestopft. Raus hingegen, ist so eine Sache. Da will ich ehrlich sein. Statt eines Rückholfadens haben sie in der Mitte eine Lasche, womit man in der Theorie den Tampon nach dem Sex, dem Schwimmen oder dem Spabesuch herausziehen kann. Genau das ist die Krux. Ich habe mehrere Minuten in mir rumfischen müssen, um den Tampon greifen zu können. Von wegen Klavierhände.
Trotz dieser postkoitalen Schweißausbrüche und kleineren Wutattacken bin ich begeistert über meine neu gewonnene sexuelle Freiheit. Weshalb ich mir die Frage stelle, warum über diese Möglichkeit nicht offen kommuniziert wird. Wie kann es sein, dass keiner, dem ich bisher von meiner Entdeckung erzählt habe, Softtampons kannte? Wieso kann ich sie nur in der Apotheker oder im Sexshop kaufen und nicht in der Durchschnittsdrogerie um die Ecke? Weil Sex während der Menstruation immer noch mit Scham behaftet ist. Mit Unsicherheit und einem negativen Körpergefühl. Und je weniger wir darüber sprechen, desto weniger wird sich das ändern. Hier herrscht in meinen Augen dringender Aufklärungsbedarf. Ob die Tampons am Ende eine Option sind oder nicht, muss jeder für sich entscheiden. Man sollte jedoch die Wahl haben.
*alle Namen geändert.