SonntagsSchnack: DER ME(W)OW-FAKTOR

„Als würde man eine Gurke in eine Turnhalle werfen. So hat es sich angefühlt mit ihr zu schlafen.“ Seit meine Mitbewohnerin mit einer Vaginaloptimierungscreme nach Hause kam, um sie einen Monat für einen Bericht auf ihre Wirkungsweise zu testen, gehen mir diese diffamierenden Worte meines ehemaligen besten Freundes nicht mehr aus dem Kopf. Mit dem Schambereich meiner Freundin ist natürlich alles in Ordnung. Was sollte auch mit ihrer 22-jährigen Schatulle sein? Die dem Produkt beiliegende Gebrauchsanweisung fand vernichtende Antworten auf meine naive Frage. In den Zwanzigern treten anscheinend eine ganze Reihe ernst zu nehmender unattraktiver Verschleißerscheinungen ein: Hängende „unanschmiegsame“ Schamlippen, Verfärbungen oder erosive Venushügel – und nach dem ersten Kind kann ich den Gymnastikraum wegen Einsturzgefahr schließen oder was? Gott sei Dank hat der Beauty-Markt Mittel, die diesem Genitalverfall entgegenwirken!


Bevor meine Mitbewohnerin mit dem Selbsttest starten konnte, überlegten wir uns zunächst wie wohl ein schöne junge Vagina auszusehen habe. Gelten bei der objektiven Betrachtung weiblicher Genitalien dieselben Kriterien, wie bei der Physiognomie eines Menschen?

Symmetrie, Faltenbefreitheit, volle Lippen?

Für diese Studie ist meine Freundin zugegeben nicht die geeignetste Probandin und ich nicht die idealste Beraterin. Beschäftigen wir uns doch meistens mit Penissen. Und um ganz ehrlich zu sein, habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, ob meine Venus eine Schönheitskönigin ist. Auch der Klassiker, der Blick in den Handspiegel, hat keine Klarheit schaffen können. Letztlich haben wir folgende Gleichung der wohl geforderten Leistungsansprüche an unsere Geschlechtsorgane ermitteln können: Höher, schneller, weiter gleich jünger, feuchter, enger für den hauseigenen Keller (wie viele Synonyme werde ich wohl am Ende dieses Artikels für Vagina gefunden haben?).

Während wir unserer Recherche nachgingen, fragte ich mich, wie lange wohl schon Botox und Genitalverschönerung auf einem Wunschzettel stehen. Dabei fiel mir ein, dass vor zehn Jahren meine mit beste Freundin, wie wir es damals betitelten, nach einer Mentholzigarette, Cool Up, und Wahrheit oder Pflicht dazu verleitet wurde über ihr bis dato größtes Unglück zu sprechen. Hässliche Schamlippen. Sie wäre schon mit ihrer Mutter beim Gynäkologen gewesen. Es wüchse sich eventuell zurecht, erklärte sie mit wässrigem Blick. Ob sich ihre äußeren Geschlechtsorgane während des nächsten Wachstumsschubs so anglichen wie meine Ohren kann ich an dieser Stelle leider nicht berichten, da wir keinen Kontakt mehr haben. Damals beschäftigte mich in dieser Situation die Sorge, ob ich nach meiner mit besten Freundin an der Reihe wäre und ob ich auf meinen Schwarm Kevin angesprochen werden würde. Heute würde ich ihr besser zuhören und sie fragen, woher diese Unsicherheit rührt.

Pornos hatten wir zu dieser Zeit noch nicht für uns entdeckt. Kontakt zu Jungs fand ungewollt unschuldig über ICQ statt. Was brachte sie auf den Gedanken, ihre Vagina wäre so, wie sie war, nicht richtig? Einer meiner verdrängten Ex-Freunde hätte ein potenzielles Arschloch sein können. Nach dem Sex sinnierte er einmal eine halbe Stunde über hässliche Nippel, während mich die der gephotoshopten Motorradmietzen von den Wänden beobachteten. Ich hätte gerne das Thema Testikel eingeworfen, fand aber damals noch nicht die richtigen Worte.

Es geht um unseren Heiligen Gral Girls. Irgendwo sollte Schluss sein. Und oh Wunder, nach drei Wochen kann meine Mitbewohnerin weder einen sichtbaren noch einen fühlbaren Erfolg durch die Verwendung der Verjüngungscreme verzeichnen. Welche Messinstrumente zu diesem Ergebnis führten, soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben. Ich möchte dem Produkt damit nicht unterstellen, dass es nicht wirkt. Unsere Vaginen bieten schlicht keine Optimierungsgrundlage, weil sie perfekt sind. Sollte meine irgendwann runzlig sein und mein Schoß ergraut, wird alles zusammenpassen.

Ein Gesamtkunstwerk.
Wie Dürers Mutter.

Um diesen Bericht abzuschließen, möchten Probandin und Beraterin noch zu bedenken geben, dass nicht die Turnhalle das Problem, sie somit nicht zu groß ist, sondern die Gurke einfach zu klein!

Credit: Sarah Thiele, The Original Copy