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    Categories: Feelings

No Bra No Problem!?

Unverhofft kommt bekanntlich oft. Und weil das so ist, bin ich neulich Socken-Tobias in die Arme gelaufen. Seines Zeichens süßer Typ und Redakteur beim etabliertesten Nachrichtenmagazin Deutschlands. Wir hatten uns seit einem Dreivierteljahr nicht mehr gesprochen. Und obwohl unsere Beziehung eher lockerer Art war, freuten wir uns aufrichtig über das Wiedersehen. Mir war nicht bewusst, dass unser Verhältnis von solch lockerer Art war, dass es nach dem standardmäßigen Smalltalk einfach aus ihm rausplatzte: „Sag mal, hast du keinen BH an?“ Ich bestätigte seine Vermutung und fragte, ob das ein Problem darstellen würde. Kaum ausgesprochen, befanden wir uns inmitten einer, wie Socken-Tobias es bezeichnete, „Free the Nipples Diskussion“. Aus Zeitgründen fasse ich an dieser Stelle die Höhepunkte seiner Argumentation zusammen:

Keinen BH zu tragen würde eine Frau erst recht zu einem Sexobjekt machen;

Bis sich Männer ändern, wird es Generationen dauern; Lieber einen unbequemen BH tragen, als unangenehme Blicke auf sich ziehen. Irgendwann brach ich aus Sicherheitsgründen und aus Mitleid mit ihm die Unterhaltung ab und kehrte an meinen Tisch zurück. Diese Begegnung inspirierte mich nicht nur dazu den BH endgültig an den Nagel zu hängen, sondern auch zu diesem Text.

Die reine Vergegenständlichung der weiblichen Brust zu einem Objekt sexueller Begierde geht bis in die Antike zurück. Archäologische Funde zeigen, dass Spartiatinnen während Wettkämpfen frühe Formen unserer heutigen Büstenhalter trugen, um den Busen zu negieren und männlicher zu erscheinen. Heute soll ein BH, per definitionem, stützen und formen. Sprich: stützen und unnatürlich verformen. Seit der Anmeldung des ersten Patents Ende des 19. Jahrhunderts, sorgt dieses Wäschestück, das erfunden wurde, als Frauen ihre Körper noch in Korsetts zwängten (zwängen, wie der Zwang), für die Ansicht, dass sich Brüste nicht zu bewegen hätten. Bis unter die Ohren „gestützt“, verhindern Push-ups so, dass unsere sekundären Geschlechtsorgane hängen.

Hätte die Evolution einen Sinn hinter einer Schwerkraftresistenz gesehen, würden unsere Brüste frei im Raum schweben.

„If it requires a bra, my answer’s no“, Instagram-Posts wie diese mögen witzig sein und eventuell ein Wirgefühl fördern. Doch eigentlich implizieren sie, dass das Tragen eines BHs etwas Unangenehmes darstellt. Statt über Karikaturen zu lachen, die die Erleichterung von Frauen demonstrieren, die sich ihres Büstenhalters entledigt haben, sollten wir uns fragen, weshalb wir ein Kleidungsstück tragen, das wir schnellstmöglich ablegen, sobald wir alleine sind. Die Wahrheit ist, dass wir nie gelernt haben, uns ohne BH in der Öffentlichkeit wohlzufühlen. Der Kauf der ersten Stütze gilt in den Medien nach wie vor als Initiation vom Mädchen zur Frau. Merkwürdig, dass in Filmen nicht der erste Tamponkauf zelebriert und mit Sekt begossen wird. Stattdessen gibt es einen Schulterklopfer und ein nüchtern-verheißungsvolles „Willkommen im Club!“

Während sich der Busen noch im Wachstum befindet, bekommt er ein Geschirr verpasst, damit Jungs im Sportunterricht nicht über ihre Halbständer oder die dafür verantwortlichen Hormone stolpern. Wer meint, mein Tenor wäre zu zynisch oder die Diskussion um die Sexualisierung des weiblichen Körpers überholt, sollte anfangen die Augen zu öffnen. In Montana wurde im letzten Jahr die Schülerin Kaitlyn Juvik vom Direktor ermahnt einen BH zu tragen, da sich ein Lehrer über den Anblick ihrer naturbelassenen Brust echauffierte. Trotz des darauffolgenden medialen Protestes werden Mädchen, durch Zwischenfälle wie diesen, weiterhin dazu angehalten ihren Busen zu verpacken und Baumwollstöpsel auf dem Weg zur Toilette in niedlich bemalten Dosen oder fest geballten Fäusten zu verstecken.

Auch das Stillen in der Öffentlichkeit ist nach wie vor ein kontroverses Thema. Welcher Meinung der Busfahrer war, der 2015 in Hamburg eine Mutter und ihr Neugeborenes seines Vehikels verwies, ist wohl nicht schwer zu erraten. Ich verstehe natürlich, dass einem Dehnungsstreifen und entzündete Brustwarzen den feuchten Tagtraum versauen können, wenn man ansonsten von Litfaßsäulen mit Calzedonia Werbung verwöhnt wird, auf denen sich halb nackte, getannte Frauen an lebensgroße Plüscheisbären schmiegen, ohne dabei orange Spuren zu hinterlassen.

Schocknachricht: Neben der sexuellen Stimulation haben Brüste auch die Funktion den Nachwuchs zu ernähren.

Nach einer Free the Nipples Demonstration am Brighton Beach im Juni letzten Jahres spricht sich die Daily Mail für die Wichtigkeit der Kampagne aus und zeigt im Header ein Bild der Teilnehmer mit verpixelten Brustwarzen. Das Einzige, was das britische Medium mit dieser Form des Journalismus enthüllt, ist seine Rückradlosigkeit. Gleichzeitig fiebern Klatschblätter der jährlich stattfindenden Victoria Secret Show entgegen, weil sie sich dann keinen eigenen Content aus den Fingern saugen müssen. Und da kritisches Denken anstrengend ist, stellen sie die perfekt inszenierten Brüste auf ein Podest. Wie heißt es so schön? Diese Models haben Kurven. Mit 200 Gramm Geleinlagen könnte selbst ich den Männern zeigen wie man Wellen macht. Und während ich derart ausgestattet zwei Wochen später den Mambo Magic tanze, lese ich nebenbei: „Sorge um Bella Hadid. So erschreckend dünn war das Supermodel noch nie.“

Es ist nicht mein Bestreben die Unterwäscheindustrie im Allgemeinen zu verteufeln oder Frauen, die einen BH tragen zu verurteilen, noch will ich mit diesem Text zu einem kollektiven BH-Verbrennen aufrufen. Mir ist auch bewusst, dass ein großer Busen andere Herausforderungen mit sich bringt, als ein Kleiner. Ich denke jedoch, dass wir eine Schamkultur pflegen, die sich gegen unsere eigenen Körper richtet. Ich persönlich möchte dieses Erziehungsmuster durchbrechen. Möglicherweise kassiere ich damit noch mehr unangenehme Blicke, mag sein. So oder so, am Ende des Tages fühlt es sich an, wie am Morgen: richtig gut!

Ach Socken-Tobias, solltest du das hier lesen: Wenn wir uns in einem Dreivierteljahr zufällig über den Weg laufen sollten, können wir gerne darüber diskutieren, weshalb manche Männer beim Sex die Socken anlassen. Vielleicht kannst du mich in dieser Frage endlich erleuchten.

Swantje Bernsmann: Hey! Mein Name ist Swantje und ich bin Beautyjunkie, Instagram Heavy User und horte Augenbrauenstifte. Okay, eigentlich auch Bronzer, Haarprodukte und jeden soften Highlighter, den ich auftreiben kann. Ich like vor allem edgy Beautythemen, die mit einem Augenzwinkern geschrieben sind. Welcome to theOC!

View Comments (2)

  • Bäm. Das trifft es genau!
    Witzig, wie viel aufsehen es erregen kann, unter ganz normaler Kleidung keinen BH zu tragen...
    Ich hatte im November einen ziemlichen Neurodermitis Schub und da haben die BHs einfach zu sehr auf der Haut gescheuert.
    Wie sehr man dann in der Bib gemustert wird war mir auch nicht vorher klar. Aber vielleicht bilde ich es mir ja nur ein, weil es mir so eingebleut würde, dass ein BH einfach getragen werden "soll" (auch bei einem A Cup...)
    xx
    Sophie