FOTOS, FILTER, FACETUNE – verlieren wir (Beauty)Blogger uns eigentlich im INSTAGRAM-Perfektionismus?

Ich spüre eine immer stärker werdende Müdigkeit. Ne, ne, es ist nicht so, dass ich zu wenig schlafe oder die Nächte durchgeackert hätte. Es ist viel mehr eine Müdigkeit, was Instagram und seine Entwicklung angeht. Richtig bewusst ist mir das mal wieder zwischen den Jahren geworden, als ich weder Blogposts verfasst habe noch wirklich aktiv auf meiner eigentlich liebsten Social Media Plattform war. Hier und da habe ich ein Bildchen gepostet. Das habe ich ehrlicherweise nur getan, damit mich Insta nach Silvester nicht vollkommen in seinem Algorithmus verschluckt. Tja, so läuft das heute nun mal. Und während ich meinen Feed mit meinem chronisch überarbeiteten linken Daumen hoch und runter geschubst habe, kam mir erneut der Gedanke, der mich schon länger verfolgt: die endlos perfekt retuschierten Gesichter, Körper und Backdrops, die mir auf Fotos entgegenstrahlen. Fotos, Filter, Facetune – ich war so hart genervt davon, dass Blogger, aber auch Nicht-Blogger und Firmen sich diesem wahnwitzigen Perfektionismus unterwerfen, dass ich das Thema nicht unthematisiert lassen konnte. Schließlich ist die Plattform für mich ein essentieller Bestandteil meiner Arbeit und der direkte Draht zu euch. Let’s talk about it!

Schauen wir zurück: anfangs war Instagram eine reine Bilderplattform. Man hat spontan und unüberlegt Bilder hochgeladen, einfach irgendeinen Filter über die Fotos gelegt (erinnert ihr euch an diese Unbeschwertheit?!) und hat mit Freunden kommuniziert. Wenn man am Ende 30 Likes auf einem Foto hatte, war das großes Kino.

Klar, die Zeiten sind längst vorbei, i get it. Die konstante Professionalisierung der Accounts und die dazugehörige Monetarisierung haben den größten Teil dazu beigetragen, dass sowohl Bilder als auch Captions (ich sage nur: like.to.knowit) immer weiter zu High Performance angetrieben worden sind. Dass Bloggen bzw. Instagrammen, damit Geld verdienen und Fotos machen alles seine Berechtigung hat, habe ich verstanden. Auch, dass Kooperationen stattfinden und gekennzeichnet werden können (danke für diese Funktion, Instagram, aber warum steht die eigentlich nur Accounts über 10k zur Verfügung? ) – all das ist für mich eine logische Konsequenz. Ich verstehe ja auch noch, dass wir uns ausführlich Gedanken zu unserer Bildauswahl machen, Hintergründe überlegen und Outfits und Looks zusammenstellen. Auch ich verwende UNUM, eine App, mit der man seinen Insta-Feed planen kann. Praktisch, digital, gut.

Was mir aber einfach nicht in den Schädel gehen will, ist diese endlose Retusche. Vor allem im Beautybereich. Unperfekte Haut? Gibt es heute nicht mehr, ist irgendwie einfach nicht mehr en vogue. Heute stempeln wir hier ein Pickel weg, da noch ein Fältchen und irgendwie haben die Augen noch nicht ausreichend Leuchtkraft gehabt. Also: rein in Facetune und das Leuchten hochgeschraubt. Was am Ende als Bild hochgeladen wird, sollte eigentlich jedes Mal als ‚artwork by xy‘ gekennzeichnet werden.

Was wir bzw. unsere Berufsgruppe den Followern damit antun, erscheint uns anscheinend manchmal gar nicht wichtig genug, um es sich mal genauer durch’s Oberstübchen wandern zu lassen: wir täuschen sie. Ich will hier nicht einen auf Moralapostel machen und von nun an alle dazu aufrufen, nie wieder Filter zu verwenden oder einen unangenehmen Pickel wegzustempeln, aber ich kann und will dieses Thema nicht in meinem Kopf behalten, denn es ist viel zu wichtig darüber zusprechen. Das Ganze hat mit der Zeit Ausmaße angenommen, die ich einfach als surreal empfinde. Wir sind, zumindest auf gewisse Art und Weise, Vorbilder für die tausenden Menschen, denen wir tagtäglich ein Foto in ihren Feed droppen, und ich wünsche mir, dass wir ein Bewusstsein für diese doch fälschliche Welt schaffen. Das wir thematisieren, dass eine gewisse künstlerische Ästhetik verständlich und nachvollziehbar ist und wir uns natürlich alle gerne glatte, pralle und makellose Haut anschauen, es aber in der Realität doch ganz anders aussieht. Ich weiß, wie sehr solche perfekten Bilder das eigene Ego herunterziehen können und wie viele von uns sich doch diesen echten, aber unerreichbaren Perfektionismus wünschen. Ganz zu schweigen von dem wahnsinnigen Druck, den wir gesellschaftlich aufbauen.

Und dann huscht mir da wieder so ein high-end Bild einer Bloggerin über mein Smartphone Screen und ich denke mal wieder: wie? Wie zum Henker macht sie das?

Ich verrate euch wie. Mit Apps, Apps, Apps. Ich kenne wirklich einige Bloggerinnen, die in echt ganz anders aussehen wie das Alter-Ego, das sie auf Instagram präsentieren. Die würdet ihr auf der Straße kaum wiederkennen. Und das finde ich einfach falsch. Die Konsequenz ist nämlich, dass wir einem Bild, einer Vision hinterher eifern, die es nicht gibt. Dass unser aller Selbstbewusstsein, auch das der Blogger, leidet. Dass ich Sätze höre wie ‚oh man, so eine reine Haut hätte ich auch gerne‘. Nein, tust du nicht. Denn eine derart glatte Haut gibt es nicht. Das beste Beispiel hierfür habe ich selbst erlebt. Der gnadenlose Realitätscheck war das.

Eine viel gefeierte Beautyredakteurin und -bloggerin aus England wird auf Instagram für ihre ‚porenfreie Haut‘ hoch und runter gefeiert. Sie selbst behauptet keine Filter oder Apps zu verwenden.

Just good skincare & lots of water, you know?!

Ja ne, ist klar. Als ich sie bei einem Termin in Berlin persönlich kennengelernt habe, war dann klar was abgeht. Keine Pore? Pustekuchen. Die Ansage, keine Filter zu verwenden? Eine glatte (hach, was für ein Wortspiel) Lüge. Kein Mensch bzw. maximal 1% der Menschheit kommt derart reinen und minimalgroßen Poren auf die Welt. Darf man sich glücklicherweise zu diesem mini-mini Prozentsatz zählen, dann gibt es da noch andere Makel: Augenschatten, oberflächlich liegende, durchschimmernde Adern, Rötungen, Narben, Hautkrankheiten, Muttermale, Melasmen, Mimikfalten – you name it. Den perfekten, makellosen Menschen mit gleichartiger Haut gibt es nicht. Dass auf den Insta-Posts zudem ein deutlich erkennbarer Blur-Effekt zwischen Haaransatz und Haut sichtbar ist, macht die ganze Angelegenheit eigentlich noch viel schlimmer. Täuschung mit Ansage, aber für alle eigentlich okay. „Welche Foundation ist das?“ „Die neue von Estée Lauder“ „Mega gutes Finish! die kaufe ich nach, danke dir!‘ Ah ja.

Wir müssen dieser Wahrheit ins Gesicht blicken. Und zwar direkt. Ich will hier gar nicht den Ton angeben und dazu aufrufen, ab sofort jegliche Retusche oder den Einsatz von Filtern einzustellen. Ich selbst liebe Filter, die Stimmung der Bilder, die durch einen Knopfdruck und innerhalb einer Sekunde zu einem fotografischen Meisterwerk wurden, und natürlich gehöre ich auch zu den Beautybloggern, die sich nicht gerade gern mit ’nem dicken, roten Pickel im Gesicht zeigen. In meinen Augen ist das Maß hier entscheidend. Und die Tatsache, dazu zu stehen und seine Leser daraufhin zu weisen. Beim nächsten Bild den Pigmentfleck einfach mal stehen zu lassen und auch die unangenehmen Seiten zu zeigen. Wie immer macht’s die Mischung.

In meiner Berufssparte mag das vielleicht nicht jedem ganz klar sein, aber irgendwann kommt bei jedem der Realtitäscheck. Dann trifft man die, die einem einen derartigen Job erst ermöglichen und dann wird’s ganz, ganz bitter. Was sind wir für Vorbilder, wenn wir ein fake Image von uns kreieren? Das kann man ja schon fast als Verrat am eigenen Beruf bezeichnen, denn schließlich war ein Blog einmal dafür da, persönliches und echtes zu teilen. Ein digitales Tagebuch, quasi. Und in dieses schreiben wir also nun tagtäglich unsere klitzekleine Lüge hinein und hoffen, dass es niemand merkt.

Aber, und jetzt kommt wie immer ein Aber, für wen halten wir euch eigentlich, euch Leser, indem wir hoffen, dass ihr es nicht merkt oder uns dieses Beautylüge abkauft? Die Antwort liegt auf der Hand. Nicht gut, gar nicht gut, wenn ihr mich fragt. Ihr habt alle längst verstanden, dass das Schein ist. Spätestens wenn die neue Estée Lauder Foundation dann halt doch kein porenfreies Photoshop-Gesicht hinterlässt, fangt ihr doch auch das Zweifeln und Hinterfragen an.

Der Punkt, der mich besonders verwundert, ist: gerade bei Beauty bzw. Beautybloggen kommt es doch auf Farben, Finishes und Texturen an. Durch Filter rund Retusche wird das Ergebnis immer verändert, das geht gar nicht anders. Warum bloggen wir über Kosmetik, wenn wir das essentiell Visuelle, das was überzeugen, berichten und bebildern soll, verfälschen? I don’t get it, wirklich. Klar ist: Moods und Alltagsschnapschüsse kann ich mir artistisch bearbeitet anschauen, find ich cool. Aber was Foundations, Lidschatten und Co. angeht, ist das doch schon etwas arg daneben.

Und doch komme ich nicht um die Frage herum, wieso wir das alles tun? Weil es euer Wunsch ist? Weil das das moderne, aktuelle Bild von Frauen ist? Weil  es die Instagram-Blase es so will? Schlussendlich ist es in meinen Augen eine gesunde Portion von alle dem. Ich will mich dem aber nicht einfach hingeben, ohne das Thema mit euch zu diskutieren und es festzuhalten.

Dafür ist ein Blog ja schließlich da, oder?!

Ich wünsche mir eine gesunde, ehrliche Auseinandersetzung mit diesem Thema, es nicht unausgesprochen lassen, euch fragen wie ihr das seht. Mein Plan für die Zukunft: mehr realness! Ich bin mir inzwischen auch irgendwie zu schade, meine Zeit damit zu verbringen 104.295 Selfies zu schießen, das eine dann in mühevollster Kleinarbeit auszusuchen, mit VSCO, Facetune & Co. zu bearbeiten und es dann voller Stolz auf Instagram zu posten. Der ganze Prozess nimmt oft mindestens eine Stunde in Anspruch. Und wofür? Um ein perfektes Foto in eine digitale Cloud zu schicken. Und ich bin ja klein, fast unsichtbar. Ich bin mir sicher, die großen Millionen-Blogger stecken noch mehr Arbeit in ihre Postings.

Zuguterletzt ist auch klar, dass diese Betrügerei und Photoshopperei natürlich auch auf Blogs stattfindet. Ich empfinde es aber vor allem auf Instagram als wahnwitzig, da es sich dort ja wirklich hauptsächlich um die Bilder dreht. Und natürlich sind es nicht nur wir Beautyblogger, die an Bildern herumschrauben, sondern auch alle anderen. Es ist jedoch gerade die Beautybranche, in der ich Finishes und Farben als besonders wichtig ansehe. Zumindest bei den Posts, bei denen es auch genau um solche geht.

Mein Vorsatz: ich will euch die Realität zeigen, ich will es zumindest probieren. Ab heute mache ich jeden Tag genau ein Selfie, das ich euch dann in einer Sammlung präsentieren will. Unretuschiert, ohne Filter, die blanke Realität quasi. Ich melde mich in einer Woche mit sieben echten Bildern zurück. Und bis es soweit ist, freue ich mich auf eure Meinungen zu diesem Thema.

Seid ihr der gleichen Ansicht? Fühlt ihr ähnlich, genauso oder vielleicht vollkommen konträr? Möglicherweise gibt es ja auch Follower, die sich so etwas wünschen, als eine Art Realitätsflucht? Ich würde mich sehr über einen Austausch mit euch zu diesem Thema freuen.

x, S