Von Nippelradaren, Uterushass und Schwangerschaftstests

„Frau Müller? Bei Frau Thiele testen wir bitte einmal auf hCG!“ Meine Gynäkologin brüllt hinter mir her, quer durch die Praxis, während ich in Zeitlupe auf die Toilette zuwanke. Ich fühle mich, wie das sprichwörtliche Lamm auf der Schlachtbank, ein bisschen, wie vor einem HIV-Test – eigentlich kann es nicht sein. Uneigentlich bleibt ein Restzweifel. Schweißausbrüche, Herzklopfen, Ohnmachtsnähe. Ich will jetzt nicht schwanger sein. Ich habe doch gerade erst mein Studium beendet! Ich besitze doch nicht mal einen eigenen Staubsauger! Ich zahle doch noch nicht mal in die Rentenversicherung ein! Ich pinkle also in den Partybecher, denke kurz darüber nach, wann ich das letzte Mal Bierpong gespielt habe und schicke ein Stoßgebet zum lieben Gott: Wenn dieser Test negativ ist, habe ich nie wieder Sex, versprochen!

Auf dem Weg ins Wartezimmer nehme ich mir vor am nächsten Tag nicht nach dem Ergebnis zu fragen. Ich lasse mich einfach überraschen. Mal schauen, was in circa sieben Monaten so passiert. Als ich meine Jacke greife, spüre ich zehn Augenpaare, die mich mit ihren Blicken durchbohren. Dank der Mutantenlunge meiner Frauenärztin, weiß hier jede, was Phase ist. Zwischen non-verbalem

„Na? Zu blöd zum Verhüten gewesen?“ und „Naaaawwww, herzlichen Glückwunsch“

stellen sich mir die Nackenhaare auf. Panisch ergreife ich die Flucht. Die Tür lasse ich auf. Jetzt kann eine andere Dumme aufstehen und sie schließen. So, wie ich es die vergangenen drei Stunden tat.

Aber alles auf Anfang. Was hier los ist? Was mein Schwangerschaftstests mit Beauty zu tun hat? Nun, er ist Teil eines größeren Ganzen. Des, ich leide nach einem erfolgreichen Östrogenentzug (ihr erinnert euch, mir sind die Haare nach dem Pillenwechseln ausgefallen) wieder unter PMS. Das führt unter anderem dazu, dass ich mich zwei Wochen im Monat so unsexy wie nie fühle. Da habt ihr’s. Körpergefühl hat einen Beautybezug. Und außerdem muss ich hier und heute Dampf ablassen. Ich will loswerden, dass es richtig nervt Brüste zu haben. Ich will gefrustet den Kopf in den Nacken legen und losheulen: ich hasse meinen Uterus. Herausbrüllen, dass es unfair ist, dass aus meiner Vagina Blut, Gewebefetzen und geronnene Pröppel kommen. Ich weiß, das Leben ist nicht fair. Aber das ändert nicht das Geringste an der Unfairness. Es hat nichts Erhebendes einen nass gepinkelten Tamponfaden am Bein kleben zu haben, vor Übelkeit kotzend über der Kloschüssel zu hängen oder Nippel so groß, wie zwei Schwerlastdübel zu haben. Irgendwann werde ich vielleicht das Wunder des Lebens in mir tragen. Bis dahin kann ich mir selbst Glückwunschkarten schicken: „Freu dich mal. Eine Woche Verschnaufpause!“ oder „Nur noch 25 Jahre, dann kommt die nächste Scheiße“ oder „Ich kann dich heute nicht für Deinen Männerschnupfen bemitleiden, ich bin damit beschäftigt meinen Gebärapparat in mir zu behalten!“

In der vergangenen Woche sah ich aus, als hätte jemand eine Krocket Kugel in meinen linken Mops gestopft. Meine Brustwarzen waren dauersteif und ich hatte Schmerzen. Kein leichtes Ziehen, kein Jucken, sondern ernsthafte Schmerzen. Ich war so verzweifelt, dass ich einen BH trug (was ich, wie wir wissen, eigentlich nicht mehr tue), weil ich einfachste Bewegung nicht aushielt. Tja und dann war da noch der Knoten, den ich während des Duschens entdeckte. Das war zu viel für mich. Ich brach unter der Dusche in Tränen aus. Bilder meiner Großmutter mit Brustprothese schossen mir durch den Kopf. Davon, wie sie den Kampf gegen den Krebs verlor. Als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, rief ich sofort bei meiner Gynäkologin an und meldete schluchzend mein Kommen für den nächsten Tag an. Was uns wieder an den Anfang dieser Leidensgeschichte bringt.

Ich hatte meine unförmigen Eumel kaum ausgepackt, als sie die Frage aller Fragen stellte: „Haben Sie schon einen Schwangerschaftstests gemacht?“ Darauf folgte ein Ultraschall. Während ich so da lag und aussah, als hätte ein Elefant auf meine Titten ejakuliert und meine Ärztin auf meinen geschwollenen Brüsten, wie ein verdammter Schlächter herumfuhrwerkte, musste ich an meinen Ex-Freund denken. An den Moment, als er mit 28 Jahren traumatisiert vom Urologen kam, weil dieser ihm einen Finger in den Po gesteckt hatte. Er musste mir mein Tränengefäß reichen, so tat er mir leid. Hochsensibel, mit der Welt zerfallen und aggressiv bis unter das Dach, marschierte ich am Abend dieses verlorenen Tages noch zur Apotheke, um mir für 25 Euro Mönchspfeffer gegen PMS zu holen. Später berichteten Passanten Journalisten von einer Explosion, einer Druckwelle und einem Atompilz am Horizont, dort wo einst die Storchen Apotheke stand. Wer unter dem prämenstruellen Syndrom leidet, ist chronisch krank, so sehe ich das.

Wo bleiben also meine Zuschüsse? Und wo bleibt die Unterstützung für Kontrazeptiva und Hygieneartikel, wie die Pille, den Ring, die Spirale und Kondome (denn am Ende sind wir diejenigen, die in einen Becher strullen müssen), für Tampons, Softtampons, Binden, Slipeinlagen, Menstruationstassen, Anti-Pilzmittel, Migränetabletten, medizinische Tees gegen Wassereinlagerungen und Antibiotika gegen Blasenentzündungen?

Bekommen wir das Geld zurückerstattet, wenn wir das erste Mal Schwangerschaftsvitamine kaufen müssen? Ich finde rechnen blöd, deshalb mache ich mir jetzt nicht die Mühe, aber vielleicht hat ja jemand Lust das auf ein Leben hochzurechnen.

Am Ende dieser Odyssee sitze ich nun mit Mönchspfeffer zugedröhnt, nicht schwanger, mit einer Zyste in der linken Brust und meiner Katze Peppa Wutz auf dem Schoß auf der Terrasse und schmiede diabolische Pläne, wie ich mich irgendwann für diese kosmische Ungerechtigkeit am Universum rechen kann. Das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen, lieber Gott. Und wo wir schon dabei sind:

Screw you, ich werde weiterhin Sex haben!